Zentralmassiv, Encumeada-Pass, Hochebene Paúl da Serra und Fanal

Freitag, den 12.05.2023 – Sonntag, den 14.05.2023

Seit fast einer Woche haben wir starken Wind aus NE, der auch Wolken mitbringt. Die treibt der Wind über die Nordseite der Berge. Auch im östlichen Teil Madeiras ist es ein bisschen wolkig, im westlichen Teil scheint die Sonne. Wir hatten Glück, dass wir zufällig in der letzen Woche viele Ausflüge und Wanderungen an der Nordküste unternommen haben – jetzt geht manches nicht, weil es zu windig ist.

Freitag, den 12.05.2023

Trotzdem wollen wir heute auf den Pico do Arieiro im Zentralmassiv von Madeira – hier kann man mit dem Auto bis fast zum Gipfel fahren. Von dort hat man nicht nur eine tolle Aussicht, es starten hier auch einige Wanderungen.

Der Wind pfeift auch heute und treibt die Wolken über die Berge. Unterwegs fahren wir erst in den Wolken, dann über den Wolken – was für ein Anblick 🙂 . Die Straße zum Pico do Arieiro wird steiler und enger, Schafe laufen über die Straße und lassen sich von den Autos nicht stören.

Auch heute ist es schwierig, einen Parkplatz zu bekommen – viele Wanderer sind schon unterwegs. Und auch heute kommt ein Kleinbus nach dem anderen, mit Wanderern, die mit mit Wanderführer die Tour vom Pico do Arieiro zum Pico Ruivo laufen.

Der Ausblick von hier oben, immerhin ist der Pico do Arieiro 1.818 Meter hoch, ist grandios. Mitten im Zentralmassiv, umgeben von den schroffen Felswänden der anderen Berge, tiefe Täler, Schluchten, Wolken, die über die Berge schwappen, Sonne und nur noch 10°C – das ist einfach unbeschreiblich schön. Wir stehen und staunen und frieren – es ist nicht nur kalt, sondern auch noch stürmisch 😉 . Die Wolken stören überhaupt nicht, sie sind ja unter uns – vermutlich wäre es bei blauem Himmel und Sonnenschein ohne Wolken nur halb so spannend gewesen.

Die Wanderung vom Pico do Arieiro zum Pico Ruivo ist mir heute zu voll und vermutlich auch zu schwer – ich weiß nicht, ob ich die Kondition für 1.250 Meter Höhenunterschied habe. Aber zu den drei Aussichtspunkten zu Beginn der Wanderung laufe ich dann doch. Der Weg ist gut gepflastert, keine Geröll, viele Stufen. Die beiden Grate, recht steil und schmal, sind gut gesichert. Das ist kein Problem.

Unangenehm auch hier sind die Wanderer, die entgegenkommen – es ist schon recht eng. Aber es lohnt sich – die Aussicht ist einfach grandios. Hätte ich meinen richtigen Wanderrucksack mit Getränken und Broten dabei – ich wäre vermutlich doch weiter gelaufen 😉 . Aber ohne alles – lieber doch nicht. Und früh muss man starten – am Besten mit Sonnenaufgang, dann ist es nicht nur leerer, sondern die Stimmung wird dann auch eine ganz Besondere sein.

Zu den Aussichtsplätzen am Pico do Arieiro – 3 km, 1h 20min

Wir fahren die steile Bergstraße zurück und dann weiter zum Encumeada-Pass. In der kleinen Snack-Bar etwas unterhalb des Passes sitzen wir, essen und trinken etwas und schauen in das tiefe Tal Richtung Süden. Von hier startet auch eine Levadawanderung, die erst auf der Südseite des Passes entlangführt und dann durch einen Tunnel auf der Nordseite des Encumeada-Passes weitergeht – spannend. Ich wandere los – alleine 🙂 . Mir kommen nur ein paar Wanderer entgegen. Es ist schön und ruhig – und die Aussicht nach dem Tunnel auf das tiefe Tal von São Vicente ist klasse. Im Tunnel ist es richtig kalt, da pfeift der Wind durch, aber sobald ein bisschen Sonne durch die Bäume kommt, ist es angenehm warm.

Levada do Norte – 4,5 km, 1h 30min

Nach 1,5 Stunden bin ich zurück – ein kurze, aber dennoch abwechslungsreiche Levada-Wanderung – danke Angelika für den Tipp 🙂 .

Samstag, den 13.05.2023

Das Wetter bleibt durchwachsen – hier in der Marina weht ein starker Wind mit heftigen Böen aus NE, es ist mal wolkig, dann scheint wieder die Sonne. So geht das bis westlich von Machico, dann ist blauer Himmel, es ist warm und es weht auch kein Wind mehr. Von der Nordseite werden weiterhin die Wolken über die Berge geweht, lösen sich aber rund um Funchal auf.

Ich möchte heute gerne zur Hochebene Paúl da Serra, die bei 1.300 Metern westlich des Encumeada-Pass beginnt. Zunächst ist sie nicht eben, sondern eine wilde Felslandschaft, jetzt im Mai mit gelb-blühendem Ginster bewachsen. Ein unglaublicher Anblick und ein Duft in der Luft – klasse 🙂 .

Paúl da Serra

Paúl da Serra und Encumeada-Pass

Erst weiter nach Westen, wird es flach und eben. Bewachsen ist die Hochebene mit Adlerfarn und niedrigem Heidekraut – die ganze Hocheben steht unter Naturschutz. Siedlungen, Dörfer oder auch nur einzelne Anwesen gibt´s hier nicht – aber Kühe trifft man nicht nur auf den Wanderwegen, sondern auch auf der Straße 😉 .

Paúl da Serra

Heute wandere ich dann mal nicht an einer Levada entlang 😉 , sondern bergauf und bergab von Paúl da Serra nach Fanal, dem nördlichen Teil der Hochebene. Auch eine Hochebene hat Hügel oder steilere, kleine Schluchten 😉 . Das Fanal liegt zwischen der Schlucht des Ribeira de Janela und der Nordküste – vor seiner Nutzung als Weidefläche standen hier Lorbeerbäumen, Baumheide und Zedern. Nach jahrhundertelanger Nutzung als Weidegebiet sind davon nur noch die uralten Lorbeerbäume zurückgeblieben. Nach der massiven Einschränkung der Weideflächen und dem Beginn der Wiederaufforstung sieht es heute ganz anders aus. Über weite Strecken ist die hügelige Landschaft wieder mit übermannshoher Baumheide, Zedern, jungen Lorbeerbäumen und Ginster bewachsen.

Hier oben pfeift der Wind mächtig, es ist kalt – was ja auch nicht weiter überrascht 😉  – und es ist nebelig. Auf der Straße kann man kaum 50 Meter weit sehen. Trotzdem starte ich zu der Wanderung und bin überrascht, als ich auf dem Wanderweg bin – kein Wind, der Weg führt durch eine schmale Gasse aus kopfhoher Baumheide und Ginster, Farnkraut steht am Wegesrand.

Kopfhohe Baumheide, Ginster und Farn

Etwas holprig hier 😉

Immer wieder komme ich an den alten Lorbeerbäumen vorbei – da tropft es von den Ästen und Zweigen, alles ist mit fingerdickem Moos bewachsen. Die Sicht zwischen der Baumheide und den Lorbeerbäumen ist gut – gelegentlich zieht Nebel durch die Pflanzen und über den Weg. An den Aussichtspunkten kann man durch die Nebelschwaden manchmal ein bisschen von den darunter liegenden Schluchten sehen.

Der Höhepunkt der Wanderung ist aber erst am Ende in der Nähe des Forsthaus Fanal – hier stehen dichtgedrängt die alten Lorbeerbäume – heute durch den Nebel und die Feuchtigkeit mit leicht mystischer Stimmung 🙂 . Alle Bäume sind von Moosen und Flechten überzogen, lange Bärte wehen im Wind, auf manchen Lorbeerbäumen wachsen kleine Farne. Ein verwunschener Ort – eine tolle Wanderung 🙂 .

Paúl da Serra – Fanal – 12km, 3h 45min

 

Sonntag, den 14.05.2023

Als wir am Freitag oben am Pico do Arieiro waren, konnte ich mich ja kaum bremsen, die Wanderung zum Pico Ruivo zu machen 😉 . Und nachdem ich gestern keine Probleme mit der Wanderung auf der Hochebene Paúl de Serra nach Fanal hatte – keine Levadawanderung, sondern viel und steil bergauf und bergab, versuche ich mich dann heute doch an der anspruchsvollen Höhenwanderung 🙂 .

Auf jeden Fall sind wir heute früher oben auf dem Pico do Arieiro – wir wollen den Sonnenaufgang erleben 🙂 . Da sind wir nicht die einzigen 😉 – trotz Kälte, 5,5°C, starken Winds und Nieselregen aus wolkenverhangenem Himmel ist es hier so voll, wie Samstags auf der Kettwiger 😉 .

Die Sonne geht auf, kämpft, aber die Wolken gewinnen. Nur ganz eben, wenn die Wolken mal kurz aufreißen, kann man einen Hauch rosa am Himmel sehen.

Ich zögere noch, ob ich bei den Wetterbedingungen wirklich loswandern soll. Eine halbe Stunde warte ich noch und friere, obwohl ich gut angezogen bin, dann laufe ich los – mit vielen anderen Wanderern. Mit viel Gegenverkehr rechne ich am frühen Morgen nicht, so dass es nicht so schlimm ist, wenn viele Wanderer in die gleiche Richtung wandern – ich werde mein Plätzchen schon finden, ohne dass ich zwischen den Wanderern eingepfercht bin 😉 .

Der Rother Wanderführer beschreibt die Tour als Königstour auf das Dach von Madeira: Eine spannendere Bergwanderung kann man auf Madeira nicht unternehmen. Der Höhenweg verbindet die drei höchsten Berge auf spektakuläre Weise miteinander.

Die drei höchsten Gipfel ziehen sich in Nord-Süd-Richtung – Pico Ruivo (1.861 Meter), Pico das Torres (1.851 Meter) und Pico do Arieiro (1.818 Meter), in Ost-West-Richtung liegt eine zweite Bergkette mit etwas niedrigeren Bergspitzen – Pico do Jorges (1.692 Meter), Casado 1.725 Meter) und Eirinhas (1.650 Meter ) – eine Wanderung also mitten im Zentralmassiv 🙂 .

Das erste Stück des Wanderweges bis zu den drei Aussichtsplätzen am Pico do Arieiro bin ich am Freitag ja schon gelaufen – mit grandioser Aussicht in alle Richtungen und Wolken in den Tälern, oder Wolkenfetzen, die vom Wind über die Berge geweht werden. Von der Aussicht sehe ich heute nichts – wir sind mitten in den Wolken. Der Wanderweg ist gut zu sehen und alleine bin ich ja auch nicht 😉 .

Über einen spektakulären, schmalen, aber gut gesicherten Grat wandere ich erst bergauf, dann folgt ein steiler Abstieg zum ersten Tunnel, dem noch einige folgen. Der Pfad zieht sich an der Felswand in einem großen Halbkreis entlang – gesichert ist der Weg hier nicht mehr – und links neben dem Weg geht es recht steil abwärts.

Es geht weiter steil bergab, wieder bergauf und durch mehrere Tunnel. Die Wolken lösen sich immer mal wieder auf, so dass es doch keine aussichtslose Wanderung wird 😉 . Über steile Metalltreppen, die im Berg verankert sind, führt der Wanderpfad auf einen Grat, von dem es nach einem kurzen Abstieg dann wieder mäßig bergauf bis zur Casa da Abrigo geht – das Stück zieht sich ganz schön 😉 .

 

Nach einem kurzen Steilanstieg könnte ich zur Gipfelsäule des Pico Ruivo gelangen – das lasse ich dann aber, denn der Gipfel liegt komplett in den Wolken. Stattdessen setze ich die Wanderung zum Encumeada-Pass fort – es ist noch früh, ich bin erst seit gut zwei Stunden unterwegs und ich fühle mich trotz der vielen zurückgelegten Höhenmeter gut 🙂 . Außerdem freue ich mich dann auch auf eine Wanderung, die nicht so stark frequentiert ist, wie die Wanderung vom Pico do Arieiro zum Pico Ruivo.

Auch bei dieser Wanderung geizt der Rother Wanderführer nicht mit euphorischen Worten 😉 : Kammwanderung der Superlative über Madeiras Wetterscheide – Der Kammweg zum Encumeada-Pass gehört zu den großen alpinen Bergtouren von Madeira. Besonders reizvoll: Der Weg wechselt mehrfach die Kammseite und erlaubt mal Blicke auf die Nordküste, mal auf die Südseite, in´s Curral das Freiras und nach Ribeira Brava.

Ja, das reizt schon und am Ende der Wanderung kann ich die Begeisterung nur teilen 🙂 . Als ich starte, ist vor mir eine Gruppe von 5 jungen Wanderern, denen ich unterwegs immer mal wieder begegne – mal überhole ich die Gruppe, mal überholt mich die Gruppe, mal wandern wir mit viel Abstand zueinander ohne ohne uns zu sehen oder zu hören. Hinter mir höre ich anfangs noch eine französische Wandergruppe, aber bald ist einfach nur noch Ruhe und das Zwitschern der Vögel in der Luft.

Auch auf dieser Wanderung geht es stets und ständig bergauf und bergab – zuerst mal bergab an der Westflanke des Pico Ruivo entlang. Hier muss es vor Jahren mal gebrannt haben, viele verkohlte Bäume stehen auf den Hängen, aber Farn und Ginster machen sich schon wieder breit. Ausblicke in die Täler oder auf die umliegenden Berge sind anfangs noch von Wolken verdeckt, die sich aber auflösen, je mehr Kraft die Sonne bekommt. Ganz phantastisch ist der Blick in´s Curral das Freiras, dem Nonnental – diesmal von der nördlichen Seite.

Der Weg wechselt zur nördlichen Kammseite und über steile Treppen, die in den Fels gehauen sind, geht es bergab. Es folgt ein schmaler, nicht gesicherter Saumpfad – aber alles ist gut zu begehen, nur schwindelfrei sollte man schon sein 😉 . Ein letzter, langer und sehr steiler Aufstieg bis kurz unterhalb des Gipel des Pico do Jorge – dann beginnt der lange Abstieg zum Encumeada-Pass mit Blicken in das Tal von São Vicente auf der nördlichen Kammseite, geradeaus auf die Hochebene Paúl da Serra oder bis nach Ribeira Brava auf der südlichen Kammseite – ein grandioses Panaorama 🙂 .

 

Der Abstieg führt wieder über Treppen (nicht nach DIN-Norm angelegt 😉 ) oder über Sandboden mit spitzen größeren oder kleineren Steinen und Felsen darin. Die Wanderstöcke helfen schon sehr, die hohen Stufen herunterzusteigen, trotzdem merke ich, dass meine Kraft nun doch langsam nachläßt und ich mich auf den Weg mehr konzentrieren muss, als zu Beginn der Wanderung.

Nach viereinhalb Stunden erreiche ich ziemlich begeistert und voller toller Eindrücke den Encumeada-Pass – und bin auch ein bisschen stolz, dass ich die beiden Wanderungen ohne Ausfallerscheinungen geschafft habe 🙂 .

Pico do Arieiro – Pico Ruivo – Encumeada-Pass – 16 km, 7h 45min

Peter wartet schon am Pass in der Snackbar auf mich – ohne ihn und seinen Shuttle-Service wäre das Wandern nicht ganz so unkompliziert 🙂 .

Heute Abend geben wir den Leihwagen wieder ab. Jetzt müssen wir Boot, Blog und Fotos pflegen und sortieren – das haben wir in der letzten Woche vernachlässigt. Wenn sich dann irgendwann ein Wetterfenster ergibt, um zu den Azoren zu segeln, werden wir das nutzen. Eilig haben wir es allerdings nicht – Madeira hat noch viele schöne Seiten 😉 .

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