Horta/Faial – St. Mary’s/Isles of Scilly

Freitag, den 14.07.2023 – Montag, den 24.07.2023
NE-SW 2-6 Bft – 1.280 sm – 10 Tage 6h 47min – Ø 5,2kn – gesamt 2.603sm

Horta/Faial – St. Mary’s/Isles of Scilly

Wir checken fast stündlich das Wetter 😉  – es wird nicht besser, aber auch nicht schlechter. Für die Strecke Richtung Englischen Kanal – sei es zu den Scillys oder nach Roscoff brauchen wir bei einer angenommenen Durchschnittsgeschwindigkeit von 5kn ca. 10 Tage. Das kann ein bisschen schneller sein, wenn wir guten, passenden Wind haben, das kann aber auch länger dauern, wenn wir, was nicht unwahrscheinlich ist, in eine Flaute geraten oder der Wind nicht aus der richtigen Richtung kommt.

So eine lange Strecke ist für uns Neuland – für die je 4 Tage von der Algarve nach Madeira und von Madeira zu den Azoren war die Wettervorhersage einigermaßen verlässlich, aber für 10 Tage gibt es keine verlässliche Wettervorhersage. Als wir 2020 von Aviles in 7 Tagen über die Biscaya nach Amsterdam gesegelt sind, waren wir nur 3 Tage auf der Biscaya ohne aktuelle Wetterdaten, ab Brest waren wir wieder online und konnten uns frisches Wetter holen 😉 . Bei den Kapriolen, die das Wetter durch den Klimawandel seit einiger Zeit schlägt, kann sich in den 10 Tagen (plus X Tage), die wir jetzt unterwegs sein werden, einiges entwickeln.

Wir benutzen schon seit Jahren die SEAMAN PRO Software von Wetterwelt für unser Streckenrouting – ein sehr gutes Programm, um auch offline die Strecke an die tatsächlichen Gegebenheiten unterwegs anzupassen. Für die ersten drei bis vier Tage ist das eine gute Option, alle Wetterdaten, die wir für die Tage danach noch haben, sind dann wohl eher zu vernachlässigen und wenn wir unterwegs sind bekommen wir keine aktuellen Wetterdaten mehr – dafür fehlt uns das Internet.

Um nicht ganz ins Ungewisse zu segeln, nehmen wir Kontakt mit Wetterwelt auf und bekommen ein ausführliches Routing mit Wetterdaten und Routenempfehlung für 8 Tage. Nach drei Tagen gibt es eine kurze Aktualisierung über Satellit auf unser Garmin Inreach – ein kleines Gerät, das Nachrichten empfangen kann, mit dem wir Nachrichten senden können und das auch eine Notruftaste für den Notfall hat. So haben wir auch Kontakt zur Familie und zu Freunden – ein gutes Gefühl und immer wieder schön, wenn wir Nachrichten von ihnen bekommen 🙂 . Wir verschicken über das Garmin Inreach morgens und abends Nachrichten über aktuelle Windrichtung und Stärke und wie es uns so geht. Die Trackerfunktion vom Garmin Inreach zeichnet unsere Position auf – so können unsere Lieben immer sehen, wo wir sind. Und halten auch ein Auge auf die aktuelle Wetterlage und Entwicklung und informieren uns regelmäßig – ein toller Service 🙂 .

Das Routing von Wetterwelt am Donnerstag Nachmittag bestätigt, dass wir am Freitag lossegeln werden. Bis Montag haben wir eher wenig Wind aus NW-N und wenn wir genügend Höhe laufen, erwischt uns die Flaute ab Dienstag vielleicht nicht – wir werden sehen. Wenn wir den Westwind erreichen, geht es gemütlich weiter Richtung Scillys, wenn nicht – wir werden sehen 😉 . Auf jeden Fall haben wir nicht genug Diesel, um zu motoren, statt zu segeln. Dann werden wir die Flaute wohl aussitzen müssen.

Einkaufen, Vorkochen, Brot backen und ein letztes mal Wäsche waschen sind schnell erledigt, getankt haben wir schon und unsere Ruby Tuesday ist durchgecheckt und startklar. Die Stimmung an Bord ist gut – gespannt bis angespannt 😉 . Wir freuen uns sehr auf zu Hause, ein Wiedersehen mit Familie und Freunden, wir sind aber auch ein bisschen wehmütig, die schönen Azoren zu verlassen und natürlich sind wir auch neugierig, wie die doch schon etwas längere Überfahrt so verlaufen wird.

Donnerstag Abend stellen wir fest, dass unsere Frischwasserpumpe kein Wasser mehr fördert 🙁  – ganz schlecht. Nach langem Suchen und probieren finden wir den Übeltäter – es ist nicht die Pumpe, sondern die beiden Filter, durch die das Trinkwasser läuft und von Schwebteilchen, Bakterien, Viren, Schwermetallen etc. gereinigt wird. Nach nur drei Wochen sind sie schon wieder verstopft. Entweder ist die Wasserqualität auf den Azoren miserabel, oder der Seagullfilter ist wegen eines Produktionsfehlers nicht zu verwenden. Schon Anfang der Saison mussten wir nach 6 Wochen den Filter tauschen – normalerweise hält er eine ganze Segelsaison. Zwei Seagullfilter haben wir als Ersatz an Bord – die sind jetzt leider aufgebraucht. Das heißt, dass wir das Wasser aus den Wassertanks nicht trinken werden, auch wenn wir den Aktivkohlefilter ersetzen können. Als Reserve oder für den Notfall haben wir Wasserflaschen an Bord – 100 Liter. Damit kommen wir zurecht. Zum Kochen können wir ja das Wasser aus den Tanks verwenden.

Trinkwasserreserve

Freitag Morgen streikt unser Autopilot – es kommt immer die Warnmeldung „Kein Autopilot-Computer“ – so etwas braucht man nicht wirklich, bevor man starten will. Aber auch diesen Fehler können wir beheben – ein Wackelkontakt in einem Kabel 😉 . Besser so etwas passiert im Hafen, als unterwegs. Noch besser, es passiert gar nicht, aber das ist Wunschdenken – an einem Boot geht immer wieder zur falschen Zeit etwas kaputt.

Aber dann geht es endlich los – die Sonne scheint, allerdings schläft der Wind noch 😉 . Wir setzen im Vorhafen die Segel – Großsegel und Genua ohne Reff 🙂  – das ist bei uns schon eine eher seltene Kombination. Meistens binden wir in das Großsegel das 1. Reff ein, damit sich unsere Ruby Tuesday nicht so schnell auf die Seite legt – jedes Boot hat so seine Macken 😉 . Aber für die nächsten Tagen ist nicht viel Wind vorhergesagt, da brauchen wir alles an Segelfläche, was wir haben.

Abschied von Horta

Faial

Zwischen den Inseln Faial, Pico und São Jorge weht der Wind erst mal nicht aus NW, so wie vorhergesagt, sondern aus NNE – das sind lokale Winde, die uns aber zu einigen Kreuzschlägen zwingen. Und viel Wind haben wir auch nicht – wir sind im Schneckentempo unterwegs. Dafür ist die Aussicht heute grandios – es ist nicht diesig und wir sehen den Pico auf Pico in seiner vollen Schönheit – mal ohne Wolken, mal mit einem kleinen Häubchen, mal mit einem großen Kragen. Auch die anderen Inseln haben wir immer wieder im Blick – sogar Graciosa können wir sehen 🙂 .

Der Berg Pico – diesmal mit Wolkenkranz

São Jorge

Es ist ein schöner Segeltag – warm, sonnig und nicht zu viel Wind. Als wir aus den Inseln raus sind, weht der Wind wie vorhergesagt aus NW mit 10kn (3 Bft). Lange sehen wir den Pico achteraus, mit Einbruch der Dunkelheit liegt Graciosa querab. Wir passieren Graciosa mit einigen Seemeilen Abstand an der Westseite – versuchen so viel Höhe nach Nord zu laufen, damit uns die vorhergesagte Flaute am Dienstag nicht ganz so stark erwischt. Mit etwas Glück erreichen wir den Rand der Westwindströmung und können dann Kurs Scillys laufen. Wir haben unseren Autopiloten auf Wind gestellt und segeln sehr gemütlich mit 45 Grad zum scheinbaren Wind Richtung NNE.

Leicht hektisch wird es am frühen Abend – unser Gaswarnmelder schlägt an. Ein vollkommen unbekanntes Geräusch und wir haben auch etwas gebraucht, um es zu identifizieren. Wir machen alle Fenster zum Lüften auf – zum Glück sind bisher noch keine Wellen übergekommen – sind ja auch kaum Wellen da 😉 . Wo das Gas herkommen kann, ist vollkommen unklar – der Gasfernschalter schließt die Gasleitung direkt an der Gasflasche in der Backskiste. Auch nach dem Lüften und Anheben der Bodenbretter schlägt der Gaswarnmelder an, sobald wir ihn anstellen. Kein gutes Gefühl 🙁 . Zur Sicherheit drehen wir die Gasflasche zu, denn dann dürfte auf keinen Fall mehr Gas austreten – weder aus der Gasflasche, die aber ja weit entfernt in der Backskiste am Heck ist, noch aus einer undichten Leitung oder einer undichten Verbindung.

Leicht gesagt, aber schwer getan 😉 . Quer über die Backskisten ist unser Dinghi gelagert und festgezurrt, auf dem Dinghi haben wir unsere flexiblen Solarpanele festgebunden. Viel Platz zum Bewegen ist hinten nicht mehr. Wir müssen das Dinghi bis an den Rand des Cockpits hochziehen, um die Deckel der Backskisten zu öffnen – das ist uns in Fahrt selbst bei der wenigen Welle zu gefährlich. Aber es gibt ja das gute alte Manöver des Beiliegens – nicht das, was ihr jetzt vielleicht denkt 😉 . Wenden, Fock back stehen lassen, Großsegel auffieren und Luvruder geben – und schon ist Ruhe im Boot 🙂 . Wir können problemlos das Dinghi lösen und die Gasflasche zudrehen.

Trotz Lüftens, geschlossener Gasflasche und geschlossener Leitung geht der Gaswarnalarm wieder los, sobald wir ihn einschalten. Alles spricht dafür, dass der Warnmelder defekt ist, aber wir lassen die Gasflasche vorsichtshalber über Nacht geschlossen und werden sie auch nur mit Lüften zum Kochen öffnen. Nach Gas riecht es die ganze Zeit überhaupt nicht, aber ein ungutes Gefühl bleibt.

Sonnenuntergang

Die Nacht ist ruhig, kaum Welle, Wind um 10kn (3 Bft), mal etwas weniger, mal etwas mehr. Die Lichter von Graciosa und das weiße Blitzen des Leuchtturms verschwinden langsam hinter uns. Die Nacht müsste eigentlich dunkel sein, wir haben fast Neumond, aber sie ist wolkenlos und wir haben einen so grandiosen Sternenhimmel, wie wir es bisher nur ganz selten erlebt haben. Die Sterne leuchten, die Milchstraße hilft mit, so dass es viel heller als erwartet ist. Ab und an blitzt ein Satellit am Himmel auf – ein tolles Panorama. Und als I-Tüpfelchen haben wir 20 Grad in der ganzen Nacht – müssen noch nicht frieren 🙂 .

Unser erstes Etmal beträgt 120sm – für den wenigen Wind und den sehr langsamen Start sind wir damit ganz zufrieden. Ändern können wir es ja es nicht 😉 .

Samstag, den 15.07.2023 – Tag 2

Das Wetter bleibt gut, die Sonne scheint und es ist warm – T-Shirt und Shorts Wetter oder barfuß Wetter, obwohl wir doch gar nicht auf der Barfußroute sind 😉 .

Der Wind weht weiterhin aus NW, mal aus WNW und mal aus NNW – wir laufen immer noch nördlicher, als es der direkt Kurs zu den Scillys erfordert. Vielleicht erwischen wir ja den Rand der Westwindströmung – vielleicht auch nicht, wir werden sehen 😉 . Im Laufe des Tages nimmt der Wind auf 15kn zu – wir binden das 1. Reff in’s Großsegel, um nicht so auf die Seite gedrückt zu werden. Eigentlich binden wir das Reff in Fahrt auf bleibendem Kurs ein – geht ohne Welle auch problemlos. Aber wir müssen an den Mast, um das Reffauge einzuhaken und das ist bei Welle eher unangenehm bis unnötig gefährlich. Also liegen wir mal wieder bei – ein echt tolles Manöver 😉 . Mit dem 1. Reff im Großsegel und etwas gereffter Genua segeln wir gemütlich und aufrecht weiter. Erst als der Wind wieder nachläßt, reffen wir die Genua aus, das Reff im Groß lassen wir stehen.

Delphine besuchen uns, sind aber recht schnell wieder verschwunden – wir sind zu langsam 😉 . Durch die Sonne leuchtet der Atlantik unglaublich blau – daher der Ausdruck „Blauwassersegeln“. Ist schon sehr viel schöner, als das Grau der Nordsee oder Ostsee.

Blauwassersegeln 🙂

Die Nacht ist ebenso wie der Tag ruhig und ohne besondere Vorkommnisse. Der Wind dreht ab 23:00 Uhr auf NNE mit 3-4kn ( 1-2 Bft) und dreht erst gegen 03:00 Uhr zurück auf NW und nimmt wieder auf 8-10kn (3 Bft) zu. Meistens segeln wir mit 5kn, manchmal nur mit 3kn, manchmal auch mit 6kn – gemütlich halt 🙂 . Die Sterne leuchten heute Nacht auch, aber der Himmel ist auch bedeckt. Es ist trotzdem nicht stockdunkel, so wie wir es eigentlich von Neumond-Nächten kennen.

Unser 2. Etmal beträgt wieder 120sm.

Sonntag, den 16.07.2023 – Tag 3

Wir sind alleine – haben bisher noch keine anderen Schiffe im AIS oder in Natur gesehen. Die Weite des Atlantiks ist bei ruhigem Wetter absolut beeindruckend und erfüllt uns mit Zufriedenheit, Demut und innerer Ruhe. Aber wehe, der Atlantik erwacht zum Leben – dann sieht die Gefühlslage ganz anders aus. Und auch nachts drängen sich trotz des ruhigen Wetters schon mal ängstliche Gedanken in den Vordergrund. Hält das Rigg bei Sturm, sind wir mental einem Sturm gewachsen, was ist mit driftenden Containern oder schlafenden Walen – alles Fragen, die auch tags auftreten könnten, es wegen der Sonne und Helligkeit aber nicht tun und für die wir auch nicht unbedingt Antworten haben. Aber, das Leben ist lebensgefährlich ….. und auch auf dem Bürgersteig kann man von einem Auto umgefahren werden. Also genießen wir die ruhigen Tage und lenken uns in den ruhigen Nächten mit Hörbuchhören oder lesen ab – unsere Ruby Tuesday segelt vor sich hin und der Autopilot steuert sie so, wie wir es wollen.

Gegen Mittag schläft der Wind fast komplett ein – wir haben die Flaute erreicht, sind nicht schnell genug nach Nord gekommen 🙁 . Mit 1-2kn (1 Bft) Wind aus NW dümpeln wir vor uns hin, ganz langsam nimmt der Wind auf 3-4kn (1-2 Bft) zu und wir segeln wieder – langsam zwar, aber wir segeln.

Von Wetterwelt haben wir das erste Kurz-Monitoring bekommen: „Ab 21:00 Uhr sollte der Wind wieder auf W drehen und damit könnt ihr dann auf direktem Kurs zu den Scillys gehen. Ein kleines Tief lässt den Wind am 18.07.2023 auf SW drehen, am 19.07.2023 müsst ihr wieder mit kurzzeitiger Flaute rechnen. Das Tief zieht nach Osten und der Wind kommt dann aus N-NE, dreht aber wieder nach kurzer Zeit auf N-NW und ab dem 21.07.2023 weiter auf SW mit dem nächsten Tief. Der SW-Wind sollte euch zügig zu den Scillys bringen. Bis dahin also immer mal wieder raume Bedingungen mit zweitweise kreuzen/motoren“.

Das sind gute Aussichten – vor allem müssen wir nicht mit Starkwind oder Sturm rechnen. Wir sind gespannt, ob alles so oder so ähnlich eintrifft. Auf jeden Fall fühlen wir uns bei Wetterwelt gut aufgehoben. Die Infos, die wir von Marie-Luise und Michaela bekommen, stimmen mit denen von Wetterwelt überein 🙂 .

Gegen Mittag sehen wir ein Containerschiff an steurbord querab. Es hält genau auf uns zu, ist noch 4,5sm entfernt. Kurz bevor ich das Schiff anfunke, ändert es leicht seinen Kurs – es wird hinter uns durchgehen. Ist schon witzig – da ist der Atlantik so groß und durch zufällige Kursänderungen oder -anpassungen treffen sich zwei Schiffe mitten im Atlantik, wenn nicht eines der Schiffe den Kurs ändern würde. Mit einem Abstand von 1,5sm geht das Containerschiff hinter uns durch und verschwindet langsam am Horizont.

Schiffsbegegnungen

Der Wind pendelt sich auf 5-6kn (3 Bft) aus N-NW ein – wir segeln sehr gemütlich, fast komfortabel ohne Welle, nur mit der schönen Atlantikdünung, Sonnenschein und Wärme. Ein bisschen mehr Wind dürfte es schon sein, so sind wir mit 3-3,5kn recht langsam. Aber alles besser, als Starkwind oder Sturm und so sind wir eben ein bisschen länger unterwegs. Wir kratzen so gerade am südlichen Rand des Westwindfeldes – manchmal weht es gut, manchmal weniger gut 😉 .

Das Problem mit dem Gaswarnmelder haben wir inzwischen auch gelöst – es strömt kein Gas aus, der Schalter ist defekt, dennoch sind wir immer noch vorsichtig. Wir schließen nicht mehr die Gasflasche in der Backskiste – das ist ja doch eher umständlich. Aber mit dem Gasfernschalter können wir den Gasfluss unterbrechen und im Schrank in der Küche haben wir auch noch einen Knebel, mit dem wir die Leitung verschließen können. So kann kein Gas mehr in’s Schiffsinnere kommen. Vor dem Kochen lüften wir noch mal gut – das geht im Moment wegen der wenigen Wellen sehr gut, es kommt kein Wasser über oder in das Boot. Ein Rest Unsicherheit bleibt trotz aller Vorsichtsmaßnahmen, logischen Überlegungen und Erklärungen allerdings doch.

Abendstimmung

Die Nacht verläuft wieder sehr ruhig, mal sind wir etwas schneller, dann geht es nur langsam voran – aber es geht voran 🙂 .

Unser 3. Etmal beträgt 107sm – mehr ist wegen des meistens schwachen Windes leider auch nicht zu erwarten.

Montag, den 17.07.2023 – Tag 4

Der Montag beginnt, wie der Sonntag geendet hat – mit wenig Wind 😉  . Der Himmel ist teilweise bedeckt, aber die Sonne kämpft sich durch und es ist warm.

Für ein bis zwei Stunden weht es am Vormittag mal mit 13kn (4 Bft) aus W und wir machen mal wieder richtig gute Fahrt. Fast kommen wir in einen Geschwindigkeitsrausch 😉 . Dann dreht der Wind auf WSW, fällt raumer ein und nimmt wieder auf 6-8kn (2-3 Bft) ab. In der Dünung schlagen die Segel – nicht so schön 🙁 . Um das ein wenig abzumildern, gehen wir höher an den Wind, als der eigentliche Kurs zu den Scillys ist – nicht, dass wir noch in Island landen 😉 . Ist ja auch sehr schön dort, aber da wollen wir jetzt nicht hin.

Der Wind wird nicht mehr – wir segeln immer noch am südlichen Rand des Westwindfeldes und da ist der Wind eher schwach. Bis auf das kurze highlight mit 12-15kn (4 Bft) Wind aus W für drei Stunden bleibt es bei 5-7kn (2-3 Bft) Wind aus WSW.

Durch die Atlantikdünung und den wenigen Wind schlagen die Segel. Wir liegen mal wieder bei und packen das Großsegel ein. Nur unter Genua mit raumem Wind wird es sofort ruhiger. Die Genua zieht uns voran, ohne einzufallen und ohne, dass unsere Ruby Tuesday durch die Dünungswelle auf die Seite gedrückt wird – sehr angenehm 🙂 .

Die Versorgungslage an Bord ist gut – heute essen wir das letzte vorgekochte Gericht. Es gibt eine Nudelpfanne mit Spinat, Gehacktem und Käsesauce – lecker 🙂 . Gestern gab es Kräuterblumenkohl mit Kartofeln in Sahnesauce. Alles Gerichte, die nicht mit Messer und Gabel gegessen werden müssen, sondern aus dem tiefen Teller mit einer Gabel. Und den tiefen Teller am Besten nicht aus der Hand lassen, sonst findet sich das Essen all zu schnell auf dem Cockpitboden wieder 😉 . Auch Anti-Rutsch-Decken sind da sehr hilfreich 😉 . Ab heute gibt es dann so leckere Gerichte wie Gemüseomelett, Möhreneintopf oder Kartoffelsalat, Pizza zum Aufbacken haben wir auch und Süßkartoffeleintopf steht auch noch auf dem Speiseplan – verhungern werden wir nicht, auch wenn wir noch ein paar Tage unterwegs sind 😉 . Gut, dass wir das Problem mit dem Gas lösen konnten – 14 Tage kalte Küche geht, wäre aber schon eine Herausforderung. Da hätten wir wohl von Müsli mit Joghurt und Obst leben müssen. Belegte Brote hätten den Speiseplan dann auch noch bereichert 😉 .

Die Sonne geht heute ziemlich malerisch unter – der Himmel sieht aus, als wenn er mit Pastellfarben gemalt worden wäre. Auch diese Nacht ist wieder ruhig – wir segeln bei 5-7kn (2-3 Bft) mit raumem Wind langsam durch die mondlose Nacht. Ab 23:00 Uhr nimmt der Wind zu – endlich schleichen wir nicht mehr nur, sondern können bei 14kn (4 Bft) Wind aus SW richtig segeln 🙂 .

Ein Sonnenuntergang wie gemalt

Unser 4. Etmal beträgt 116sm – langsam legen wir wieder etwas mehr Strecke zurück. Aber man kann auch nicht alles haben – gemütliches Segeln, komfortables Leben an Bord und viel Wind, um Strecke zu machen.

Dienstag, den 18.07.2023 – Tag 5

Heute scheint nur rund um uns die Sonne – wir können blauen Himmel sehen, aber nicht über uns. Warm ist es trotzdem, obwohl wir langsam nördlicher kommen. Aber es ist ja auch Sommer, da sollte es nicht anders sein.

Der Wind weht konstant aus SW mit 10-14kn – das bleibt fast den ganzen Tag so. Auf raumem Kurs sind wir damit allerdings immer noch nicht wirklich schnell. Wir können den Kurs zu den Scillys anlegen, segeln vor dem Wind meistens mit 5kn. Die Wellen werden etwas höher, sind aber nicht störend. Allerdings naht die nächste Flaute schon wieder – Wetterwelt hat sie für Mittwoch angekündigt. Wir bekommen auch zwei mal täglich von Marie-Luise aktuelle Wetterdaten – morgens und abends bringt sie uns sehr umfangreich auf den aktuellen Stand. Im Großen und Ganzen decken sich die Wetterdaten von Marie-Luise mit der Einschätzung von Wetterwelt, die ja auch schon wieder drei Tage alt ist. Auch Michaela hat uns im Blick und schickt uns immer wieder Infos zum aktuellen Wetter – schön ist es, von Familie und Freunden zu hören 🙂 .

Am Abend nimmt der Wind dann wieder ab – wir nähern uns der Flaute und segeln nur noch mit 3-4kn. In der Nacht sehen wir zwei Containerschiffe gleichzeitig im AIS – sie kommen sich fast auf Kollisionskurs entgegen und passieren uns im Abstand von ca. 3 sm. Mitten im Atlantik wo so viel Platz ist – unglaublich, dass sich dort drei Schiffe fast treffen.

Eigentlich ist hier doch Platz genug 😉

Unser 5. Etmal beträgt nur 93sm

Mittwoch, den 19.07.2023 – Tag 6

Seit 07:00 motoren wir – wir haben nur noch 2kn Wind. Der Atlantik liegt spiegelglatt um uns herum. Nur ganz geringe Dünung haben wir. Mit 2kn Wind können wir nicht segeln, wollen die Flaute aber auch nicht komplett aussitzen, denn die Wetterentwicklung auf dem Atlantik geht ja weiter. Gemütlich segeln ist das eine, aber von dem nächsten dicken Tief mit Sturm eingeholt zu werden, ist das andere. So versuchen wir, möglichst bald wieder Wind zu erreichen.

Bei den ruhigen Bedingungen bereite ich unser warmes Abendessen vor – Möhreneintopf mit Mettwurst für zwei Tage 🙂 . Der Abfall, der dabei entsteht, muss irgendwie entsorgt werden – die Müllabfuhr ist weit weg 😉 .

Alle organischen Abfälle gehen über Bord, ebenso Toilettenpapier, Tempos und Zewa. Das zerfällt alles im Wasser und schadet der Umwelt nicht. Aber es gibt auch Plastikabfall, der gesammelt werden muss. Auch da kommt einiges zusammen – Schokoladenpapier, Papier von Müslieriegeln, Bonbonpaier, Käseverpackung, Joghurtbecher etc.. Wir zerschneiden den ganzen Plastikmüll in kleine Streifen und stecken diese dann in eine der leeren Trinkwasserflaschen. Die fassen schon einiges an Plastikmüll, lassen sich geruchsneutral zuschrauben und im Vorschiff bei den noch vollen Flaschen sehr gut verstauen. Da fliegt auch bei etwas ruppigeren Wellen nichts durcheinander. Den Tipp haben wir bei einem der Online-Micro-Seminare von TransOcean bekommen – bisher waren wir nicht so lange unterwegs, dass wir uns intensiver mit der Aufbewahrung von Plasikmüll befassen mussten. Wir haben die zwei oder drei Müllbeutel, die in den 4 bzw. 7 Tagen, die wir bisher unterwegs waren, zusammengekommen sind, zusammengeknotet und unter dem Salontisch verstaut. In den Flaschen ist er auf jeden Fall besser aufgehoben. Zwei Flaschen sind in den 6 Tagen schon gefüllt – jetzt auch mit der Verpackung von der Mettwurst für den Möhreneintopf 😉 .

Mülltrennung auf hoher See

Um 13:00 Uhr haben wir so viel bzw. wenig Wind, dass wir mit Großsegel und Genua wieder segeln können – nicht schnell, aber wir segeln wieder. Von Wetterwelt haben wir heute Morgen ein neues Kurzmonitoring bekommen: „Nun seid ihr direkt am Tief. Der Wind dreht auf Nord, wenn das Tief weiterzieht. Mit dem Wind Richtung Osten bis 43°N/13°W, so hoch am Wind, wie es geht. Ab dem 22.07.2023 dreht der Wind wieder auf NW-W und weiter auf Süd. Dann wieder mit direktem Kurs mit raumem Wind weiter zu den Scillys“. Klasse, dass das mit der Wettereinschätzung so gut funktioniert. Lieber wäre uns, wenn wir die Grip-Daten selbst herunterladen und auswerten könnten, aber dafür bräuchten wir mindestens ein Iridium Go, ein Satellitentelefon, über das man in’s Internet kann und das man als hotspot für mehrere Geräte einsetzen kann. Dazu muss man noch ein passendes Datenvolumen kaufen.

Da wir nie vorhatten, über den Atlantik in die Karibik und vielleicht auch noch weiter zu segeln, sondern eigentlich nur von Ost nach West und vielleicht ein bisschen nach Süd segeln wollten, ist unsere Ruby Tuesday für Langfahrt nicht ausgestattet. Wir haben weder einen Wassermacher, noch ein Satellitentelefon, Kurzwellenfunkgerät oder Kanister mit Diesel an Bord. Ist bei küstennaher Fahrt alles nicht nötig, denn da gibt’s alle Nase lang Häfen, in denen man Wasser und Diesel nachfüllen kann. Und Internet hat man in Küstennähe auch. Für die etwas längeren Fahrten, die wir über das offene Wasser gemacht haben – Schottland, Norwegen, Island und Biscaya reicht unsere Ausstattung vollkommen aus. Dass wir von den Azoren bis in den Englischen Kanal bzw. bis zu den Scillys etwas länger als 3 oder 4 Tage brauchen, ist schon klar 😉 . Aber da gehen wir eben einen Kompromiss ein – zusätzliche Wasserflaschen und motoren nur, wenn es gar nicht anders geht. So wie heute – bei 2kn Wind kann man nicht segeln und für einige Stunden muss dann mal der Motor helfen, ohne dass wir den Tank gleich leer fahren. Allerdings fasst unser Tank auch nur 160 Liter – das ist nicht viel. Also müssen wir haushalten.

Der Wind nimmt stetig zu, ab 17:00 haben wir schon 17kn, Wind und Welle werden kontinuierlich mehr. Es wird ungemütlich an Bord. Das 2. Reff ist in’s Groß gebunden, das Groß nach Lee gesetzt und auch die Genau ist gut gerefft. Dennoch machen wir gute Fahrt und kommen voran, nur nicht in die richtige Richtung. Wir fallen so weit ab, dass wir einen scheinbaren Windwinkel von 55 Grad segeln können – das ist bei den Wellen noch einigermaßen machbar. Dennoch wird das Leben an Bord anstrengend. Es regnet seit vielen Tagen zum ersten mal wieder. Wir verziehen uns unter Deck, schließen das Schiebeluk und lassen unsere Ruby Tuesday segeln. Auf dem Tablet sind alle Instrumente aus dem Cockpit gespiegelt, so dass wir Wind, Windrichtung und -stärke und auch den Kurs immer im Blick haben. AIS-Signale anderer Schiffe und auch Radar sind ebenfalls auf dem Tablet zu sehen. Unter Deck ist es gemütlich, trocken und warm. Immer wieder tauchen wir in die Wellen ein, oft kommen Wellen über das Boot. Es ist ganz schön laut – heulender Wind und klatschendes Wasser. Alles ist nicht richtig – Flaute ist blöd, aber viel Wind und Welle ebenso. Mit 22kn aus N (6 Bft) segeln wir durch die Nacht.

Unser 6. Etmal beträgt 128sm – der viele Wind sogt für Geschwindigkeit und Strecke.

Donnerstag, den 20.07.2023 – Tag 7

Morgens ist es immer noch bedeckt, aber es regnet nicht mehr. Die Sonne kämpft sich immer wieder durch die Wolken. Es ist weiterhin sehr windig und wellig – bis zu 27kn (6Bft) Wind aus NNE haben wir, durchgehend 22kn (6 Bft). Gemütlich ist das nicht, aber wir bleiben unter Deck, gehen nur in’s Cockpit, um das Rigg und die Segel zu checken. Das kräftige eintauchen unserer Ruby Tuesday in die Wellen, das Brechen der Wellen über Deck und das Erzittern des Riggs sind schon ein bisschen beängstigend. Immer wieder geht vor allem mir die Frage durch den Kopf, ob das unsere alte Lady wohl aushält. Eigentlich bin ich mir sicher, dass sie den Belastungen gewachsen ist, denn sonst hätten wir diese Tour ja gar nicht gemacht. Dennoch schleichen sich Zweifel oder auch Befürchtungen ein – mit 22-27kn auf einem Amwindkurs ist eben auch kein Zuckerschlecken.

Vormittags meldet sich Wetterwelt noch mal mit einer kurzen Info: „Kurs so beibehalten, ggf. etwas abfallen, wenn der Windwinkel zu spitz wird, ab Freitag dreht der Wind über N auf NW, dann auf W, dann wieder auf Kurs gehen“. So segeln wir dann weiter, aber wir kommen immer weiter östlich und gefühlt viel zu nah an die Biscaya mit den Orcas. Außerdem versetzt uns der Azorenstrom auch noch nach SE – das ist genau das, was wir eigentlich überhaupt nicht wollen. Um nicht so nah an die Biscaya zu kommen und damit auch in das Orca-Gebiet, haben wir die Scillys als Ziel gewählt. Hätten wir den direkten Kurs segeln können, hätten wir einen guten Abstand zur Biscaya und dem Versatz durch den Azorenstrom gehabt. Ist nun aber nicht so, müssen wir das Beste draus machen.

Die Tage fließen ohne besondere Vorkommnisse ineinander über. Nur windig ist es im Moment 😉 . Unser Rhytmus aus Schlafen, Essen und Wache hat sich schnell eingespielt und wird in erster Linie von den Essenszeiten bestimmt – auch wenn es stürmt 😉

Wir frühstücken morgens zwischen 07:00 Uhr und 08:00 Uhr. Dann ist Wache/Schlafen für 4 Stunden von 08:30 Uhr bis 12:30 Uhr. Gegen 13:00 Uhr gibt’s belegte Brote zum Mittagessen. Danach ist wieder Wache/Schlafen von 13:30 Uhr bis 17:30 Uhr. Und dann gibt’s warmes Abendessen. Um 19:00 Uhr geht’s dann in die Nachtwache. Alle vier Stunden ist ohne Unterbrechung Wachwechsel – 19:00 Uhr bis 23:00 Uhr, 23:00 Uhr bis 03:00 Uhr und 03:00 Uhr bis 07:00 Uhr. Mit diesem Rhytmus kommen wir gut klar, nicht zuletzt wohl auch deshalb, weil wir beide problemlos auch tags schlafen können. Da stört es auch nicht, wenn der Motor mal läuft. Ab dem zweiten Tag, bis zu dem sich die Müdigkeit noch bemerkbar macht, fühlen wir uns ausgeschlafen und haben nicht das Gefühl, an Schlafmangel zu leiden oder übermüdet zu sein. Da wir in 24 Stunden 5 x 4 Wachen haben, verschieben sich die Zeiten für jeden von uns. So muss nicht immer derselbe in der Nacht von 23:00 Uhr bis 03:00 Uhr Wache schieben – wir wechseln uns automatisch tageweise damit ab. Den Rythmus behalten wir auch bei den unangenehmen Segelbedingungen bei – mit genügend Schlaf und gutem Essen lässt sich das alles viel besser aushalten.

So segeln wir mit viel Wind und Welle in die zweite windige Nacht und der Info von Marie-Luise und Michaela, dass der Wind langsam abnimmt und ab morgen im Laufe des Tages dann auch rückdreht. Es dauert aber noch, bis der Wind tatsächlich weniger wird. Um 22:00 Uhr haben wir nur noch 21kn (5 Bft) – im Vergleich zu den 25kn (6 Bft) vorher schon richtig gut 😉 . Um 03:00 Uhr sind es nur noch 19kn (5 Bft) und ab 08:00 Uhr haben wir noch 13kn (4 Bft). Auch die Wellen werden weniger, aber nicht so schnell wie der Wind.

Unser 7. Etmal mit viel Wind beträgt 139sm.

Freitag, den 21.07.2023 – Tag 8

Erst gegen Mittag ist kaum noch Welle da. Der Wind dreht wie versprochen ganz langsam auf N – wir können langsam wieder auf unseren alten Kurs zuhalten.

Ich nutze die ruhigeren Segelbedingungen, um den Blog weiterzuschreiben – gestern war es mir dafür zu windig und ab heute Nacht soll es auch schon wieder etwas windiger werden. Wir rechnen mit 12kn (4 Bft) aus W, bevor es dann bis auf 20kn (5 Bft) aus W aufbrist – wir sind gespannt.

Heute scheint auch wieder die Sonne und es ist warm – wir sitzen wieder im Cockpit und genießen den schönen Segeltag 🙂 . Leider hat unser Windgeber am Masttop seinen Geist aufgegeben – er liefert keine richtigen Winddaten mehr. Jetzt können wir nur noch schätzen, wie windig es ist. Wenn wir zu viel Krängung machen, müssen wir wohl reffen 😉 .

Rigg-Check bei ruhigen Bedingungen

Heute sind wir schon eine Woche unterwegs – es ist also fast Endspurt. Noch 390sm bis zu den Scillys – wenn es gut läuft, sind wir Montag oder Dienstag dort. Durch die vielen Tage mit wenig Wind brauchen wir etwas länger, um die Strecke zurückzulegen. Aber besser wenig Wind und bequemes Segeln, als so stürmisch, wie in den letzten zwei Tagen. Da ist es auch egal, ob wir 10 oder 14 Tage brauchen 😉 .

Der Tag plätschert so vor sich hin – ein schöner Segeltag mit Sonnenschein und warm ist es auch. Wir gehen mit Wind aus W in die Nacht, geschätzt 10-12kn. Die Nächte sind immer noch dunkel, der Mond nimmt ganz langsam wieder zu. Nur die Sterne leuchten – aber nicht mehr so intensiv, wie in der der ersten Nacht, als wir von den Azoren gestartet sind.

Und noch ein Sonnenuntergang – weil er so schön ist 🙂

Unser 8. Etmal beträgt 124sm – ein Mischung aus viel und wenig Wind 😉

Samstag, den 22.07.2023 – Tag 9

Die Nacht war angenehm ruhig – kaum Welle und Wind aus W, wir sind weiter auf direktem auf Kurs zu den Scillys. Es ist schon spannend, wie schnell sich der aufgewühlte Atlantik wieder beruhigt und wie schnell er wieder zum Leben erweckt wird.

Morgens wird es dann wieder sportlich – der Wind frischt auf – gefühlt um 25kn, die Wellen werden schnell höher und laufen von backbord achtern ein. Wir holen das Großsegel rein und segeln unter Genua weiter Richtung Scillys. Flott sind wir unterwegs, immer mal wieder sehen wir 8kn auf unserer Logge. Um ein bisschen Druck aus dem Segel zu nehmen, reffen wir die Genua. Gleich läuft unsere Ruby Tuesday ruhiger. Bis mittags ist es nur bedeckt, die Sonne kämpft sich manchmal durch die Wolkendecke, dann beginnt es zu regnen. Bei achterlichem Wind weht der Regen bis in’s Cockpit und durch das geöffnete Schiebeluk auch in den Salon. Wir stecken das Schott ein, schieben das Luk zu und sitzen wieder im Trockenen. So kann man das Geschaukel gut aushalten 😉 . Mit den Daten auf dem Tablet sind wir mit der „Außenwelt“ verbunden.

Am späten Nachmittag wird es etwas ruhiger, Wind und Wellen nehmen ab. Auch in der Nacht segeln wir schnell mit raumem Wind um 20kn und moderater Welle.

Wir freuen uns jetzt doch, wenn unsere Überfahrt zum Ende kommt. Nicht das Leben an Bord macht die Überfahrt anstrengend, sondern dass beklemmende Gefühl, dass wir Wind und Wetter vollkommen ausgeliefert sind – egal, ob es stürmt oder moderat weht. Wir können den Bedingungen nur sehr begrenzt aus dem Weg gehen, müssen sie so nehmen, wie sie sind und das Beste draus machen – zum Wiederholungstäter werden wir bestimmt nicht 😉 . Noch 230sm bis zu den Scillys – wenn die Bedingungen so bleiben, könnten wir es bis Montag schaffen 🙂 .

Grab-Bags für den Notfall unter dem Salontisch direkt am Niedergang – falls wir in die Rettungsinsel oder abgeborgen werden müssen

Unser 9. Etmal beträgt 149sm – da macht sich der viele Wind bemerkbar 😉

Sonntag, den 23.07.2023 – Tag 10

Wie vorhergesagt nimmt der Wind etwas ab und wir sind nicht mehr ganz so schnell. Wir werden immer noch zwei mal täglich von Marie-Luise und Michaela mit den aktuellen Wetterdaten und der Vorhersage für die nächsten Tage versorgt 🙂 .

Morgens um 08:00 Uhr haben wir noch 150sm bis zu den Scillys – das sollten wir bis Montag schaffen. Nachdem es morgens erst mal regnet, kämpft sich am Vormittag die Sonne durch die Wolken – da sieht die Welt schon wieder viel freundlicher aus 🙂 . Mit raumem Wind segeln wir den Scillys entgegen.

Im Laufe des Vormittags überqueren wir den Festlandsockel – hier steigt die Wassertiefe auf kurzer Distanz von 4.000 Metern auf 150 Meter an. Seit 10 Tagen zeigt unser Lot mal wieder die Wassertiefe an – ab 200 Metern steigt der Tiefenmesser aus. Jetzt segeln wir in nur noch 155 Meter tiefem Wasser – die Wellen sind durch den Anstieg des Meeresgrundes viel höher geworden. Ist schon komisch, wenn von hinten eine Welle angerauscht kommt, man meint, die überläuft uns jetzt, dann nur das Heck anhebt, unter dem Rumpf durchläuft und unsere Ruby Tuesday wieder absetzt. Bis jetzt ist noch keine Welle in’s Cockpit eingestiegen, ganz anders auf dem Amwindkurs mit viel Wind vor ein paar Tagen – da sind immer wieder Wellen bis über die Sprayhood unserer Ruby Tuesday bis in’s Cockpit geplatscht.

Durch den Seegang ist ziemlich viel Bewegung im Boot und wir müssen uns immer mit einer Hand festhalten, um nicht durch das Boot geschubst zu werden. Gelingt nicht immer gut – einige blaue Flecken haben wir uns schon eingehandelt. Aber auch das hat ja bald erst mal ein Ende 😉 . Durch den Englischen Kanal bis nach Holland dauert es ca. 5 Tage, wenn wir durchsegeln. Passen Wind oder Wetter nicht, ist jederzeit ein Hafen in der Nähe, um auf bessere Bedingungen zu warten – das ist der Unterschied zum Segeln über den Atlantik. Hier kann man nicht mal eben rechts abbiegen und im Hafen warten 😉 .

Es läuft mit raumem Wind gut heute – wie geschmiert 😉 . Wenn es so weitergeht, sind wir morgen Mittag auf den Scillys. Wir laufen etwas mehr Höhe, denn der Wind soll wieder auf NW drehen – dann haben wir mehr Raum, um abzufallen und einen angenehmeren Kurs zum Wind zu segeln. Ein sehr schöner Segeltag geht in die Nacht über – gegen 22:00 Uhr ist erst der Wind kurz weg, dann dreht er auf NW und weht mit geschätzt 10kn. Es geht voran 🙂 . Ab 02:00 Uhr dreht der Wind auf N, es ist aber immer noch ruhiges Segeln. Erst ab 03:00 Uhr wird es ungemütlich. Der Wind nimmt zu, ca. 20kn , wir segeln auf einem Amwindkurs mit 50 Grad zum scheinbaren Wind. Höher wollen wir wegen der auch wieder zunehmenden Wellen nicht an den Wind. Die Wellen klatschen wieder auf den Bug, manchmal über die Sprayhood bis in’s Cockpit und oft knallt unsere Ruby Tuesday in ein Wellental. Es scheppert, das Rigg rappelt, es ist laut an Bord. Das ist schon eine ganz schöne Belastung für unsere alte Dame.

Unser 10. Etmal beträgt 130sm – wieder eine Mischung aus viel und sehr moderatem Wind.

Montag, den 24.07.2023 – Tag 11

Als es hell wird, sehen wir, dass am Achterliek unserer Genua etwas nicht in Ordnung ist – Stoff/Segeltuch ist auf ca. 2 Metern Länge eingerissen und weht aus 🙁 . Erst vermuten wir, dass sich der UV-Schutz gelöst hat, aber als es richtig hell ist, stellen wir fest, dass das Achterliek ausgerissen ist – gaaaanz schlecht, um weiterzusegeln 🙁 . Wir rollen die Genua ein und fahren die letzten 20 Seemeilen zu den Scillys unter Motor – das hat den Vorteil, dass wir die Ansteuerung von St. Mary’s direkt erreichen können und nicht noch einen Holeschlag machen müssen 😉 . Je näher wir den Scillys kommen, um so mehr nimmt in der Abdeckung der Inseln die Welle ab und das Motoren geht gut. Bis jetzt haben wir auf der Überfahrt den Motor mal für 5 Stunden in der Flaute gebraucht – gut so, der Dieseltank ist noch voll und wir kommen ohne Probleme weiter.

Auf den letzten Seemeilen musste das jetzt nicht noch passieren – aber wir denken dann mal positiv: Besser jetzt kurz vor Ende der Überfahrt, als mitten drin 😉 . In St. Mary’s gibt es einen Segelmacher, der hoffentlich nicht in Urlaub ist und uns die Genua reparieren kann. Ohne Genua die 570 sm bis nach Urk zu segeln, wäre schon blöd. Wir könnten unsere Sturmfock setzen, die aber ja sehr klein ist – alternativ hätten wir noch den Blister, der aber sehr groß ist. Alles nicht ideal, aber in der Not frisst der Teufel Fliegen 😉 .

Als der Wind in der Nacht auf N dreht, haben wir kurz überlegt, zu den Kanalinseln abzulaufen – das wäre auf jeden Fall der angenehmere Kurs gewesen. Jetzt sind wir froh, dass wir das nicht gemacht haben. Bis zu den Kanalinseln wären es noch ca. 150sm. Mit der beschädigten Genua und den Alternativen dazu nicht wirklich schön. Eine ähnliche Überlegung hatten wir vor ein paar Tagen, als wir uns der Biscaya genähert haben. Auch hier hätten wir schon Richtung Brest und Kanalinseln Kurs nehmen können, um dann zwischen der Ile D’Oussant und dem Verkehrstrennungsgebiet in den Englischen Kanal zu segeln. Das haben wir wegen der durchgeknallten Orcas, die Segelboote angreifen und Ruderblätter zum Frühstück verspeisen, nicht getan. Als wir von Horta gestartet sind, sind die ersten Orcas schon in der Bretagne angekommen und nerven dort die Segler. Später erfahren wir, dass 30sm südwestlich von Brest auch schon Orcas gesichtet wurden. Wir hatten bewusst die Scillys als Endpunkt der Überfahrt gewählt, weil der Kurs dann weit genug nördlich von Brest und den Orcas verläuft. Wir haben Glück und begegnen den eigentlich wunderschönen Tieren nicht 🙂 .

Land in Sicht – St. Mary’s auf den Isles of Scilly

Die Scillonian III kommt uns entgegen – sie ist auf dem Weg zurück nach Pencance

Gegen 15:00 Uhr machen wir in St. Mary’s Pool an einer Mooring fest – das Mooringfeld ist voll und eng ist es auch. Aber das kennen wir ja von den Urlauben, die wir hier zuletzt 2012 verbracht haben. Irgendwie passte es immer und trotz des vielen Winds aus Nord liegen wir hier erstaunlich ruhig.

Angekommen auf den Scillys

Mooringfeld von St. Mary’s

Wir sind glücklich, dass wir die Überfahrt wohlbehalten geschafft haben und unserer Heimat wieder ein Stück näher gekommen sind. Die Bedingungen unterwegs waren gut, manchmal ruppig, aber vermutlich betrachten die Regattasegler vom Rolex Fastnet Race auch das als sehr gut – die sind bei 40kn Wind gegenan gerade im Englischen Kanal unterwegs. Einige der Racer sehen wir vor den Scillys: SY Prysmian, 28kn, SY Lazare, 16kn, Panther, 7kn.

Außer dem defekten Gaswarnmelder, dem Wackelkontakt im Kabel und dem fehlenden Seagull-Wasserfilter, Beeinträchtigungen, die ja schon beim Start aufgetreten sind, haben wir noch einen defekten Windgeber am Masttop und das eingerissene Achterliek der Genua zu verzeichnen – für so eine lange Strecke und den damit verbundenen Belastungen des Bootes ist das ok. Den Windgeber werden wir in Holland reparieren, es geht auch ganz gut ohne. Um die Genua kümmern wir uns morgen – jetzt machen wir erst mal klar Schiff und räumen auf und um, so dass es an Bord wieder gemütlich wird 🙂 .

Lassen wir unsere kleine Ost-Atlantikrunde „Bretagne – Biscaya- Nordspanien – Galicien – Portugiesische Westküste – Algarve – Porto Santo – Madeira – Azoren – Scillys“ Revue passieren, war es mit wenigen Einschränkungen ein toller Törn 🙂 . Neuland für uns ist die lange Strecke von den Azoren bis zu den Scillys. Beeindruckend ist die Weite des Atlantiks, das tiefe Blau des Wassers und der strahlende Himmel – bedrückend ist ebenfalls die Weite und die Wetterküche des Atlantiks, der man gnadenlos ausgeliefert ist. Wir hatten auf unserer Überfahrt sehr gute Bedingungen – viele Tage mit Wind um 3 Bft, wenige Tage mit Wind um 6 Bft und hoher Welle und nur einen Tag Flaute, an dem wir mal für einige Stunden den Motor haben laufen lassen. Dennoch haben uns die zwei ungemütlichen Tage mit 6 Bft auf einem Amwindkurs gereicht, es hätte nicht mehr sein müssen 😉  – hätte aber durchaus mehr sein können. Auch die Vorstellung, mitten im Atlantik, mindestens 600sm zu den Azoren oder zum Festland, Schiffsbruch zu erleiden, in welcher Form auch immer, in die Rettungsinsel einzusteigen oder von unserer Ruby Tuesday abgeborgen werden zu müssen und alles aufgeben zu müssen, ist nicht gerade erbaulich. Darüber nachgedacht haben wir natürlich, bevor wir nach Porto Santo und Madeira gestartet sind, richtig bewusst geworden ist es uns aber in aller Klarheit erst, als wir von den Azoren zu den Scillys unterwegs waren. Wir hatten eine tolle Zeit auf Porto Santo, Madeira und den Azoren, möchten nicht einen Tag missen, werden aber so eine Tour nicht wiederholen. Wir fühlen uns in Küstennähe oder bei Törns, die zwei oder drei Tage über offenes Wasser gehen, wesentlich wohler, als Mitten auf dem Atlantik. Außerdem gibt es in Küstennähe sehr viel mehr zu sehen 😉  – wir denken da nur an die fantastische Landschaft der norwegischen Westküste, der Lofoten oder Islands 🙂 .

Jetzt aber genießen wir erst mal die Scillys – und dann geht es wieder weiter 🙂 .

St. Mary’s Pool

 

 

 

 

 

 

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