Liepaja

Sonntag, 16.06.2013

Wir bleiben einen Tag in Liepaja und schauen uns die Stadt an. Ende des 19. Jahrhunderts war Liepaja ein beliebter Kurort. Man kann heute noch prächtige Jugendstil- und Gründerzeitvillen, aber auch wunderschöne traditionelle Holzhäuser sehen. Die beeindruckendsten Häuser stehen in Richtung Jurmalas Park, dem ehemaligen Kurpark. Dort gibt es neben eleganten Sommervillen der Jahrhundertwende auch eine alte Badeanstalt, leider sehr renovierungsbedürftig. Neben gut erhaltenen Häusern sieht man auch hier viele ehemals sehr schöne Gebäude, die verlassen oder sehr verkommen sind. In vielen Gebäuden, die von außen einen baufälligen Eindruck machen, leben unter sehr einfachen Verhältnissen noch Einwohner von Liepaja. Einen ganz anderen Eindruck von der Stadt bekommen wir, als wir nachmittags eine Fahrradtour durch die Neustadt mit tristen Plattenbauten nach Karosta machen.

Traditionelles Holzhaus in Lieoaja

Traditionelles Holzhaus in Lieoaja

Alte Badeanstalt in Liepaja

Alte Badeanstalt in Liepaja

Karosta ist ein Stadtteil von Liepaja, der um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert als Militärbasis mit Hafen des Russischen Imperiums gebaut wurde. Karosta war ein vollkommen autonomer Kriegshafen mit kompletter Infrastruktur. Es entstanden Wohngebiete, in denen hauptsächlich Russen lebten, die im Militärhafen oder in den Befestigungsanlagen arbeiteten. Karosta war in der Sowjetzeit Zeit Sperrgebiet und für die Zivilbevölkerung nicht zugänglich. Um nach Karosta zu kommen, muss man über eine hölzerne Drehbrücke fahren. Die Brücke hat grüne eiserne Geländer und besteht aus zwei um 90°schwenkbare Teile. Ein sehr imposantes Bauwerk, alle Autos fahren sehr vorsichtig und langsam über die Brücke. Wie die Traglast ist, konnten wir nicht sehen, aber ob LKWs dort drüber dürfen, ist zumindest fraglich.

Kalpaka-Brücke

Kalpaka-Brücke

In Karosta haben wir auch wieder sehr viele, sehr einfache und fast baufällige Plattenbauten gesehen, die alle noch bewohnt waren. Die Menschen dort müssen schon unter sehr einfachen Verhältnissen leben. Direkt zwischen den sozialistischen Plattenbauten steht die im Russisch Orthodoxen Stil erbaute „Meereskathedrale“ St. Nikolaus. Schon von weitem kann man die 5 Kuppeln glänzen sehen. Nachdem die Kathedrale im 1. Weltkrieg schon großen Schaden erlitten hatte, wurde sie nach dem 2. Weltkrieg von den Militärs zu einem Sport- und Kinosaal zweckentfremdet. Die Inneneinrichtung wurde komplett zerstört. Jetzt wird sie wieder als Russisch Orthodoxe Kirche genutzt. Wir durften die Kathedrale auch von innen besichtigen, allerdings nur mit passender Kleidung, was für mich Kopftuch bedeutete. Aber die Gemeinde ware sehr umsichtig, am Eingang stand eine schöne Auswahl passender Kopfbedeckungen bereit. Fotos waren übrigens nicht erlaubt. Die Aufsicht merkte schon auf, als Peter nur das Objektiv ausfuhr und hat das Fotografieren rigoros verboten.

St. Nikolai-Kathedrale in Karosta

St. Nikolai-Kathedrale in Karosta

Außer den Plattenbauten und der Kathedrale haben wir in Karosta noch die alte Hauptwache besichtigt. Durch Zufall begann gerade eine Führung durch die Räume, in denen man auf Anfrage auch übernachten kann. Wir konnten sehen und uns gut vorstellen, wie die Gefangenen – Soldaten, die sich nicht richtig benommen haben (getrunken, keine saubere Uniform, zu spät zum Dienst gekommen oder andere Kleinigkeiten) – dort behandelt wurden und leben mussten. Der Muff der vergangenen Jahre war ziemlich deutlich wahrzunehmen.

Alte Hauptwache in Karosta

Alte Hauptwache in Karosta

Wir haben uns dann noch die alte Manege angesehen, ein Platz auf dem in vergangenen Zeiten die Parade der Artillerie- und Kavalleriepferde stattfand. Es stehen nur noch die Grundmauern, das Dach ist zerstört. Dennoch ein sehr imposanter Bau.

Manege

Manege

Auf dem Weg zurück sind wir an den Resten der ehemaligen Verwaltungs- oder sonstigen Gebäuden vorbeigekommen. Sehr schöne, alte Häuser, man kann sich lebhaft vorstellen, wie die mal ausgesehen haben, jetzt sind es nur noch Ruinen. Mit ziemlich gemischten Gefühlen verlassen wir den doch etwas bedrückenden Ort.

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