Freitag den 02.08.2019
NW-SW 1-4 Bft – 46 sm – 9h 48 min – Ø 4,7kn – gesamt: 955 sm
Als morgens um 06:00 Uhr der Wecker schellt, ist es noch fast dunkel – wir brauchen tatsächlich Licht im Schiff, um alles vorzubereiten. Entweder sind wir doch schon ziemlich südlich, so dass es nicht mehr so früh hell wird, oder der Sommer neigt sich langsam dem Ende zu – aber das kann eigentlich Anfang August noch nicht sein 😉 . Nebel und die aufgehende Sonne tauchen die Vilaine in zauberhafte Farben.
Früh sind wir an der Schleuse in Arzal, weil wir unbedingt die erste Schleusung um 08:00 Uhr bekommen müssen. Das Hochwasser war schon um 06:32 Uhr, das Wasser in der Vilaine und der flachen Mündung, die ja stellenweise nur 0,50 cm oder weniger tief ist, läuft seit dem ab. Sind wir zu spät, wird die Mündung für uns zu flach und wir müssen auf das abendliche Hochwasser warten.
Es ist noch kein anderer Segler an der Schleuse, das Schleusentor ist geöffnet, die Lichter an der Schleuse sind doppelt rot und gleichzeitig doppelt grün – nicht ganz eindeutig. Wir machen in der Schleuse fest und frühstücken erst mal. Langsam kreisen immer mehr Segler vor der Schleuse, aber keiner kommt in das Schleusenbecken. Mmm, ob wir da wohl etwas falsch gemacht haben? Ja, haben wir. Darüber klärt uns kurze Zeit später der Schleusenmeister in perfektem Französisch auf 😉 – ein anderer, als beim Einschleusen in die Vilaine und lange nicht so freundlich und entspannt 🙁 . Wir tun dann mal so, als wenn wir so gar kein Französisch verstehen – was ja auch nicht ganz falsch ist 😉 . Irgendwie hören wir aber doch raus, dass wir eigentlich wieder aus der Schleuse raus müssen, da die einschleusenden Schiffe Vorfahrt haben. Glück für uns – es will niemand in die Vilaine einschleusen und der Schleusenmeister hat ein Einsehen 🙂 .
Aber dann beginnt das Chaos, die Brücke öffnet sich und die anderen Segler wollen jetzt auch endlich in die Schleusenkammer. Niemand hört mehr, was das kleine Rumpelstilzchen rumschreit und gestikuliert. Auch beim Festmachen in der Schleuse geht es sehr lautstark im Befehlston weiter. Jeder wird eingewiesen, wo er festzumachen hat.
Na ja, alles geht irgendwann vorbei 😉 – wir sind als erstes in die Schleuse eingefahren und müssen auch als erstes wieder raus. Unter Motor fahren wir zügig der Mündung entgegen und setzen erst Segel, als wir in ausreichend tiefem Wasser sind 🙂 .
Für eine gute Stunde Segeln reicht der wenige Wind, doch dann schläft er ganz ein und wir müssen ein bisschen motoren. Aus NW brist es gegen Mittag auf und wir können prima segeln – erst Am-Wind, dann mit halbem und zum Schluss mit raumem Wind. Das macht nach der Woche in der Vilaine wieder richtig Spaß 🙂 . Die Bedingungen sind aber auch super – genügend Wind zum Segeln, keine Welle oder Dünung, blauer Himmel, Sonnenschein und angenehm warm. In Norwegen und Island hat uns das kühle Wetter nicht gestört – wir hatten nichts anderes erwartet. Jetzt aber genießen wir T-Shirt-Segeln in vollen Zügen 🙂 .
Wir segeln entlang der Guérande-Halbinsel mit mehreren Häfen. Einige können wir nicht anlaufen, weil die Wassertiefe in der Einfahrt nicht mehr ausreicht – das geht nur mit auflaufendem Wasser. Durch das frühe Hochwasser, das Schleusen und die Fahrt bis aus der Vilaine-Mündung haben wir in einer Stunde Niedrigwasser – das passt nicht. Andere Häfen wollen wir nicht anlaufen, weil sie uns nicht ansprechen oder auch nicht auf dem Weg liegen. So nehmen wir Kurs auf die Halbinsel Île de Noirmoutier.
Vor der Loire-Mündung liegen einige große Frachter auf Reede, von Saint-Nazaire kommen auch ein paar Schiffe. Grundsätzlich ist hier aber kaum Verkehr von der Großschifffahrt.
Eher sind heute viele Segler unterwegs. Vor allem, als wir uns der Île de Noirmourtier nähern, sehen wir einige Regattafelder, viele Freizeitsegler und jede Menge kleine Motorboote.
Wir lassen unseren Anker in der Bucht Bois de la Chaise in ausreichendem Abstand zum Mooringfeld fallen, ganz in der Nähe des Hauptortes der Insel Noirmourtier-en-Île. Hier ist was los, so was haben wir bis jetzt noch nicht erlebt. Es ist Sommer, August ist der Hauptferienmonat der Franzosen – Hochsaison! Surfer, Cat-Segler, Wasserskifahrer, Motorbootfahrer, Wasserscooter und Segler sind unterwegs – zum Teil laut und ziemlich schnell.
Beim Ankermanöver haben wir ein paar mal Bedenken, dass uns Segler über den Haufen fahren. Wir sind kurz davor, das Ankermanöver abzubrechen und uns einen anderen Liegeplatz – vielleicht im Hafen an der Nordseite der Insel – zu suchen. Aber der ist vermutlich um diese Zeit auch voll. Gegen 19:00 Uhr wird’s dann schlagartig ruhig – Abendessenszeit oder Zeit, sich dafür vorzubereiten 😉 . Wir bleiben, genießen die Ruhe und dass tatsächlich niemand mehr auf dem Wasser ist und warten ab, wie es morgen hier so wird 😉 .
Samstag, den 03.08.2019
Still ist es, kein Windhauch regt sich, spiegelglattes, fast öliges Wasser – beim Frühstück müssen wir nicht unsere Tassen festhalten, damit sie nicht vom Tisch gekegelt werden 🙂 . Das ändert sich dann aber im Laufe des Vormittages doch noch. Ein bisschen Wind kommt auf, Motorbootfahrer rasen ohne Rücksicht auf Verluste durch das Mooring- und Ankerfeld und sorgen für viel Bewegung auf dem Schiff. Gegen Mittag starten auch wieder die Regatten, die sich bis abends hinziehen.
Tolle Segelboote sind da unterwegs – inzwischen wissen wir, dass vom 02.08. – 11.08.2019 auf der Île de Noirmoutier Segelwoche ist. Im Moment werden die „Regatten des Bois de la Chaise“ ausgetragen. Vom 07.08. – 09.08.2019 folgt dann die „Noirmoutier-Classic“ und am 11.08.2019 die Schlussregatta. So lange wollen wir dann doch nicht hier bleiben, haben auch ein bisschen Angst um die Unversehrtheit unserer Ruby Tuesday 😉 . Die Regattaboote segeln verdammt dicht an unserem Boot vorbei und ebenso dicht an den Booten im Mooringfeld.
Dennoch gucke ich mir die Île de Noirmoutier an – Peter bleibt lieber an Bord und passt auf unsere Ruby Tuesday auf 😉 .
Schon an den Häusern sieht man, dass wir die Bretagne hinter uns gelassen haben – statt Backsteinhäuser, reetgedeckt oder mit schwarzen Schieferschindeln, sind die Häuser hier alle verputzt, weiß gestrichen, haben Fensterläden und Türen in allen Blau-Farben und die Dächer sind mit roten Schindeln gedeckt. Ein komplett anderes Bild mit einem ziemliche südlichen Einschlag 🙂 .
Unsere Bretagne-Flagge haben wir eingeholt, jetzt fahren wir nur noch die französische Gastlandflagge unter der Steuerbordsaling.
Der Hauptort Noirmoutier de Île ist gut zu Fuß zu erreichen – ein schöner Weg führt durch Wald und an steilem, felsigen Ufer entlang zum Plage des Dames.
Von dort geht’s dann über kleine Straßen zum Dorf, das ganz touristisch geprägt ist. Viele Restaurants, Créperien, Bars, Cafés und Souvenirshops gibt es dort.
Der Hafen Noirmoutier de Île fällt komplett trocken.
Verlässt man den Ortskern, kommt man schnell zu den Salzwiesen. Mit dem Fahrrad oder mit dem Bus kann man die Insel prima erkunden – allerdings muss man schon die Abfahrtzeiten der Busse gut im Blick halten, sonst ist man irgendwo „in the middle of nowhere“ und kein Bus kommt 🙁 .
Salzwiesen haben wir auf der Guérande-Halbinsel in Saillé ja schon besichtigt, aber Austernbänke und Pfahlmuscheln habe ich noch nicht aus der Nähe gesehen. In La Guériniére ist das möglich – aber nur bei Niedrigwasser. Das haben wir und ich streife lange durch die Austernbänke.
Urlauber und Einheimische sind unterwegs und suchen in den verbliebenen Prilen nach Muscheln oder anderem Meeresgetier. Schon die kleinen Kinder sind aktiv mit dabei. Auch so kann man zu einem leckeren Abendessen kommen.
Zurück am Bois de la Chaise schlendere ich noch an den schönen alten Villen vorbei, die dort in der Bucht stehen. Wieder ein ganz anderer Baustil, als die bretonischen oder die südländischen Häuser. Irgendwie liegt hier noch ein bisschen der Flair einer längst vergangenen Zeit in der Luft 🙂 .