Sonntag, den 09.06.2019
SE-E-NE 1-2 Bft – 20 sm – 4h 01 min – Ø 5,0kn – gesamt: 625 sm
Schon seit Tagen beobachten wir die Wetterentwicklung ganz genau – noch ein bisschen genauer, als sonst 😉 . Wir möchten gerne, bevor wir durch das Raz de Sein segeln, die Île de Sein besuchen. Für beides braucht man eher ruhiges Wetter. Das Raz de Sein ist die letzte Engstelle mit sehr starker Strömung vor der Südbretagne, die man unbedingt bei passendem Wind und Wetter und vor allem möglichst um Stillzeit durchsegeln sollte, die Île de Sein ist eine sturmumtoste und -erprobte Insel, ca. 5 sm westlich des Raz de Sein. Da für heute fast kein Wind vorhergesagt ist, morgen wenig Wind aus NW wehen soll und ab Dienstag wieder mit viel Wind zu rechnen ist, verzichten wir auf Douarnenez und segeln bzw. motoren heute zur Île de Sein. Die Chance müssen wir einfach nutzen 🙂 , so schön Douarnenez auch sein mag. Und beides geht eher nicht :-(. Richtig beständig ist das Wetter zur Zeit irgendwie nicht – mal wenig Wind, mal viel Wind, mal aus der einen und ein paar Stunden später aus der anderen Richtung – und das was heute vorhergesagt wird, gilt noch lange nicht am nächsten Tag 😉 . Also, auf geht’s zur Île de Sein – jetzt oder nie 😉 .
Die Île de Sein ist nur ca. 2,8 km lang, 0,5 km breit und hat ca. 270 Einwohner. Sie liegt inmitten einer Unzahl von Felsen, Riffs, Unterwasserfelsen, Flachstellen und ist umsäumt von den größten Leuchttürmen der Bretagne. Bäume und Sträucher gedeihen hier trotz des Golfstromklimas wegen der vielen starken Stürme und des fast immer wehenden starken Windes nicht. Zum Schutz vor dem Wind sind die Häuser so nah aneinander gebaut, dass dazwischen nur schmale Wege verlaufen und kein Platz für Straßen ist. Autos gibt’s auf der Insel nicht. In den letzten 100 Jahren ist die Insel in Herbst- und Winterstürmen vier mal komplett überschwemmt worden, die Einwohner haben sich in den Kirchturm oder auf die Hausdächer gerettet – die Île de Sein ist nicht höher als 2 Meter. Das alles haben wir in unserem Törn- und Reiseführer gelesen und wollen diesen speziellen Ort gerne auch sehen 😉 .
Mit ablaufendem Wasser lichten wir unseren Anker in Morgat und motoren erst, segeln dann mal für eine knappe Stunde bis der Wind ganz verschwindet und motoren dann weiter durch einen spiegelglatten Atlantik. Aus sicherer Entfernung können wir schon mal einen Blick in das Raz de Sein werfen – heute komplett harmlos ohne Eddies, Overfalls oder sonstiger Schikanen!
Die Navigation zur Île des Sein ist durch die Leuchttürme und Seezeichen nicht schwer – ohne Kartenplotter, ohne Radar und nur mit Papierkarten wäre es eine echte Herausforderung 😉 .
So kommen wir ohne Schwierigkeiten bei fast Niedrigwasser nach vier Stunden Fahrt an der Île de Sein an. Es gibt dort einen kleinen Hafen, der aber zum großen Teil trocken fällt. Dort, wo das Wasser tief genug ist, ist kaum Platz. Der Rettungskreuzer ankert dort und viele kleine Fischerboote.
Zwei Segler liegen auch schon da, so dass wir an der weniger geschützten Ankerstelle nördlich des Hafens unseren Anker fallen lassen. Auch hier liegt schon ein französischer Segler – abends liegen wir hier zu viert 🙂 . Es ist heute einfach ein optimaler Tag, die Île de Sein zu besuchen – Windstille und spiegelglatte See 🙂 . Obwohl kein Wind weht, hält der Atlantikschwell unsere Ruby Tuesday ganz schön in Bewegung 😉 . Alles bleibt unter Deck seefest verstaut, damit nichts zu Bruch geht.
Wir streifen über die Île de Sein und sind wieder mal begeistert 🙂 . Hier ist Sommer – Kinder und auch Erwachsene braten am Strand in der Sonne und gehen schwimmen. Die kleinen Cafe´s und Bars sind von den Tagesgästen, die mit der Fähre vom Festland kommen, gut besucht.
Zwischen den häufig typisch bretonischen Häusern aus Granit haben sich die Inselbewohner kleine Gärten angelegt – zum Teil mit einer üppigen Blumenpracht, zum Teil aber auch zum Gemüseanbau – ähnlich wie bei uns die Schrebergärten. In einem Garten gibt’s einen Hühnerstall mit Namensschildern der Hühner – Nesquik, Cappuccino, Chicoreé, Café, Cacao und Chocolat 🙂 Die Gärten sind durch Bruchsteinmauern vor dem Wind geschützt – sonst würden dort die Blumen und das Gemüse wohl nicht überleben.
Bevor wir zum Leuchtturm laufen, trinken wir am Hafen einen Cidre und begucken das Treiben an der Hafenfront mit den bunten Häusern.
Eigentlich ist der Leuchtturm schon geschlossen – man kann ihn besichtigen und bis zum Leuchtfeuer die Stufen hochsteigen. Die Leuchtturmwärterin will gerade die Türen schließen, als wir davor stehen. Mit Händen und Füßen, ein bisschen Englisch auf ihrer Seite und ein bisschen Französisch auf meiner Seite verständigen wir uns – ich darf mit ihr nach oben steigen und den Leuchtturm abschließen 🙂 .
Da überlege ich nicht zweimal – ein bisschen zu schnell für meine Kondition geht’s nach oben 😉 – aber schließlich will die Dame ja Feierabend machen 😉 . Oben haben wir einen fantastischen Ausblick – auf die Île de Sein, das Raz de Sein, die Küste und die Inseln Ouessant und Molène. Einfach unglaublich 🙂 .
Nach Westen kann man die vielen Felsen der Chaussée de Sein sehen – hier stehen auch mehrere Leuchttürme, um vor den Gefahren zu warnen.
Weiter am Horizont fahren die großen Frachtschiffe – die dürfen nach der großen Öltankerkatastrophe 1978 vor Portsall an der Nordwestecke der Bretagne nicht mehr an der Küste entlang fahren, sondern müssen sich weiter draußen im Atlantik an die Verkehrstrennungsgebiete halten.
Auf dem Weg zurück zum Dorf kommen wir an einigen alten Bruchsteinmauern vorbei, die vor vielen Jahren von den Frauen der Insel zum Schutz vor den Südweststürmen errichtet wurden. Auch hier wurde Gemüse angebaut. Jetzt wächst hier überwiegend Farn.
An der kleinen Kapelle St. Corentin steht ein einzelner Wind zerzauster Baum. Daran kann man schon ganz gut erkennen, dass das Leben hier nicht immer so entspannt wie heute zugeht. Das müssen schon ganz besondere Menschen sein, die das ganze Jahr auf dieser kleinen Insel leben 🙂 .
Als wir in’s Dorf zurückkommen, hören wir am kleine Hafen vor einer Bar bretonische Musik – hier hat sich der Akkordeon- und Flötenclub des Dorfes zusammengefunden und musiziert mit viel Freude. Die Melodien erinnern vermutlich nicht ganz zufällig an irische und schottische Musik – der keltische Einschlag ist in allen Ländern vorhanden 😉 . Ein schöner Abschluss für diesen besonderen und ausgefallenen Stopp auf der Île de Sein.