Zwei Tage mit dem Auto über die Doppelinsel Harris und Lewis und ein Tag zu Fuß durch Stornoway

Montag, den 12.06.2017 – Mittwoch, den 14.06.2017

Zwei Tage mit dem Auto über Lewis and Harris

Gestern konnten wir kein Auto mehr reservieren – sonntags wird hier nicht gearbeitet. Nicht nur der Autoverleih ist geschlossen, auch alle Cafe´s, Restaurants oder Take aways. Aber heute morgen um 08:00 Uhr öffnet der Autoverleih. Wir haben Glück, es gibt für uns ganz spontan einen kleinen Wagen – um 08:30 Uhr wird uns der Wagen schon zum Hafen gebracht. Kein Luxusgefährt, aber immerhin groß genug, um damit zwei Tage über die Insel zu fahren 😉 .

Lewis und Harris sind zwei Namen für eine Insel – Lewis liegt im Norden, Harris im Süden. Landschaftlich ist Harris wesentlich interessanter, in North Harris gibt´s Berge, in South Harris gebirgiges Karstland, Moorlandschaften und traumhafte Strände. Lewis ist geprägt von flachen Torfmoorlandschaften, hat mehr Dörfer und Einwohner und die Hauptstadt Stornoway mit ihren 8.000 Einwohnern liegt auch auf Lewis.

Heute wollen wir uns Harris anschauen, die Heimat des Harris Tweeds 🙂 . Zuerst mal müssen wir über die Hauptstraße Richtung Süden. Übergangslos wird aus Lewis North Harris. Harris wird von einer hohen Gebirgskette in North Harris und South Harris geteilt. Direkt an dieser Gebirgskette liegt unser letzter Ankerplatz im Loch Seaforth. Von der Straßen haben wir einen schönen Blick in die Bucht. Der Franzose, der mit uns zusammen dort geankert hat, liegt immer noch dort 🙂 . Hätten wir gewusst, dass das unsere letzte und vor allem auch sehr schöne Ankermöglichkeit auf den äußeren Hebriden ist, lägen wir jetzt auch noch dort 😉 .

Ankerplatz im Loch Seaforth

Loch Seaforth

Fischfarmen, wo man eigentlich schön ankern könnte

Wir fahren weiter durch die Berge, den Wolken entgegen. Bisher ist es eher sonnig oder bedeckt, aber jetzt kommen uns Nebelschwaden entgegen. Die Wolken werden von dem starken Wind über und durch die Berge getrieben.

Nicht über, sondern in den Wolken

So typisches schottisches Wetter 🙂 , das im nächsten Moment schon wieder anders ist. Das Zusammenspiel von Sonne, Wolken, Wind und Regen ist einmalig und faszinierend. Für eine tolle Stimmung muss gar nicht immer die Sonne scheinen – auch dicke Regenwolken haben ihren Reiz.

Im Tal sehen wir schon Tabert – West Loch Tabert und East Loch Tabert, beides getrennt nur durch einen schmalen Landstrich.

Store in East Loch Tabert

West Loch Tabert liegt auf der westlichen Seite der Hebriden, East Loch Tabert folglich auf der östlichen 😉 und damit geschützteren Seite. Wir machen uns auf die Suche nach der ziemlich großen Marina in East Loch Tabert – zumindest soll laut „Welcome Anchorages“ hier eine Marina sein. Wir finden nichts und auch in der Tourismus Info weiß keiner wirklich Bescheid. Man grummelt ein bisschen von einem Projekt, vielleicht im nächsten Jahr, aber sehr überzeugt hört sich das nicht an. Zurück auf dem Schiff stellen wir später fest, dass sich wohl ein Fehlerteufel in die Broschüre eingeschlichen hat. Die Tabert Marina gibt´s irgendwo weiter im Süden in der Nähe von Glasgow.

Über die Golden Route, einer Nebenstraße – single road mit passing places – geht´s dann durch sehr schöne, einsame Landschaft weiter. Hinter jeder Biegung sehen wir einen anderen See oder schöne Häuser oder eben auch, wie überall hier auf der Insel, aufgegebene Cottages.

Auffällig ist, dass Häuser, die aufgegeben und baufällig sind, nicht abgerissen werden, sondern so stehen bleiben, wie sie waren und verfallen. Egal, ob alte Häuser aus Bruchsteinen, die Black Houses oder neuere Häuser mit verputzten Wänden, die White Houses. Oft sind die Cottages noch so möbliert, wie sie waren, als sie aufgegeben wurden.

Zusammengefallenes Haus – die Sessel stehen noch

Das Leben hier draußen ist hart – nicht jeder will sich den Naturgewalten aussetzen und „flüchtet“ nach Stornoway oder auf´s Festland. Ein weiterer Grund für die vielen verfallenen und aufgegebenen Black Houses auf den Inseln und in den Highlands sind die Highland Clearances im 18. und 19. Jahrhundert, als viele Crofter von ihrem Grund und Boden vertrieben wurden, um diesen als Weidefläche für die ertragreichere Schafzucht zu nutzen. Ein ziemlich unglückliches Kapitel der Schottischen Geschichte 🙁 . Und ebenso auffällig ist, dass alles, egal ob landwirtschaftliche Gegenstände, Autos, Haushaltsgegenstände, Paletten, Baumaterial oder Fischerzubehör, an der Stelle vergammelt, wo es zuletzt gebraucht wurde. Warum? Kennt man hier denn keine Schrottplätze 🙁 ?

Auf der Golden Road halten wir in Drinishader und besichtigen dort in der alten Schule das Harris Tweed Museum, eine kleine, moderne Ausstellung über die Tweedherstellung damals und heute. Schon interessant, dass inzwischen diverse Modedesigner den Harris Tweed entdeckt haben 😉 . Harris Tweed ist bei Weitem nicht nur das „Jägergrün oder -braun“  😉 .

Ein paar Dörfer weiter treffen wir Annie in ihrem kleinen Tweed Geschäft. Von ihr erfahren wir, dass nicht alles, was als Harris Tweed verkauft wird, auch wirklich auf den äußeren Hebriden hergestellt wird. Vieles kommt aus China – der fertig gewebte Tweedstoff wird nach China geliefert, dort werden dann Kleidung, aber auch Taschen, Handyhüllen und jede Menge andere hippe Sachen aus Harris Tweed hergestellt. Die kann man in den Souvenirläden oder Tourismus Infos kaufen.

Annie´s Harris Tweed Shop

Annie verrät uns dann auch, wie wir erkennen können, ob es sich um echten handgewebten Harris Tweed handelt, der auch auf den Hebriden weiter zu einem Kleidungsstück verarbeitet wurde. Auf Harris gibt´s noch ca. 70 Weber, die zu Hause an ihrem Webstuhl für die größeren Händler Tweed weben, ca. 130 sind´s auf Lewis. Aber auch Tweed, der auf Lewis gewebt wurde, darf sich Harris Tweed nennen – Hauptsache, er kommt von den äußeren Hebriden 😉 . Von Anni bekommen wir zwei Adressen von Webern, die noch zu Hause in Heimarbeit Harris Tweed weben. Wir trauen uns dann aber doch nicht, dort anzuklopfen 🙁 . Wäre ja schon interessant gewesen, mal einen Weber bei der Arbeit an seinem Webstuhl zu sehen – aber einfach so anklopfen??

In Rodel, ganz im Süden von South Harris besichtigen wir nicht nur die sehr beeindruckende St. Clement`s Church, die letzte Ruhestätte der MacLeods von der Insel Sky, sondern auch den Rodel Pool mit seinen drei Visitor Moorings. In den Pool kommt man über die Barren nur bei Hochwasser – heute ist kein Segler hier.

Trocken gefallener Hafen in Rodel

Begeistert sind wir von der Westküste South Harris – traumhafte Sandstrände in Sakrista und Luskentiyre, aber auch interessante Patchworklandschaften aus Moosteppichen in Northon 🙂 .

Patchworklandschaft bei Northon

1. Tag mit dem Auto

Nach so viel beeindruckend schöner Landschaft brauchen wir dann doch auch mal etwas Kultur 😉 . Davon gibt´s auf Lewis genug! Mit etwas Ausgefallenem muss ja auch Lewis punkten können 😉 . Die Landschaft ist nämlich nicht gerade überzeugend. Endlos weite, eher flache, eintönige Moorgebiete, zerfurcht von den Torfstechern und besiedelt von den vielen Schafen. Na ja, irgendwo muss die Wolle für den Harris Tweed ja auch herkommen 😉 .

Als erstes fahren wir dann mal zu den Standing Stones of Callanish. 54 Steine, bis zu 3,7 m hoch, stehen in Form eines großen keltischen Kreuzes seit etwa 1800 v.Chr. in der flachen Hügellandschaft von Callanish auf einem Naturplateau. Inmitten der Steine gibt´s eine Grabkammer, in der auch menschliche Knochenreste gefunden wurden.

Standing Stones of Callanish

Grabkammer in den Standing Stones

Keiner weiß genau, warum die Steine dort stehen und was sie bedeuten. Die Vermutungen reichen vom einfachen Kommunikationszentrum über religiöse Weihestätte für Erntefeste bis hin zum Kultplatz mit Menschenopfern. Die Standing Stones of Callanish sind ähnlich bedeutend wie Stonehenge, sind aber nicht ganz so überlaufen. Genügend Touristen sind auf jeden Fall hier – zu viele, als dass wir die besondere Atmosphäre dieses besonderen Ortes spüren könnten. Vermutlich wäre da abends zum Sonnenuntergang oder früh morgens zum Sonnenaufgang der bessere Zeitpunkt 😉 .

Standing Stones

Standing Stones

Ein Stückchen weiter sehen wir schon von weitem den Dun Carloway Broch – eine Wehranlage – auf einem Felshügel stehen. Ohne Mörtel wurden die Steine übereinander geschichtet. Schlafplätze befanden sich in den 3-4 Meter dicken, doppelwandigen Mauern. Am Boden des Brochs lag die Küche und die Feuerstelle. Eine Seite der doppelwandigen Mauer des Brochs ragt noch über 12 m hoch.

Dun Carloway Broch

Anders, als wir es vielleicht aus Deutschland kennen, dürfen wir uns überall in dem Broch bewegen, rumklettern und rumkriechen. Das tun wir ausgiebig, klettern dann auch noch auf einen nahen Hügel, um von dort den „Überblick“ zu haben.

Dun Carloway Broch

Da aller guten Dinge ja bekanntlich drei sind, fahren wir, um unseren Kulturhunger zu stillen, noch zum Garenin Village, einer kleinen Torfstechersiedlung mit mehreren reetgedeckten Hütten, den Blackhouses.

Garenin Village

Garenin Village

Hier sehen wir endlich das, was wir schon die ganze Zeit sehen wollen: Einen Weber, der an seinem Webstuhl Harris Tweed webt! Eine der Torfstecherhütten ist als Museum eingerichtet – hier sitzt in einem Raum der Weber, in dem anderen Raum ist eine Wohn-, Schlaf- und Kochstube mit offenem Torffeuer nachgebaut 🙂 .

Maschine, um die Wolle auf ie Schiffchen zu spulen

Webstuhl

Weber bei der Arbeit

Restaurierte Wassermühle

Wasserzufluss

Genug Kultur, jetzt wollen wir noch ein bisschen Natur sehen – ein paar schöne Stellen gibt´s hier nämlich auch 🙂 . Am Butt of Lewis, dem Leuchtturm an der nördlichsten Spitze von Lewis schauen wir den vielen Seevögeln zu und werfen vorsichtig einen Blick die atemberaubenden Steilklippen hinunter. Die bestehen aus Lewis-Gneis, der ältesten Gesteinsschicht der Welt.

Leuchtturm am Butt of Lewis

Steilklippen am Butt of Lewis

Lewis-Gneis

Ja und dann kommen wir zum Port Ness, einem Hafen mit einer so verwinkelten Hafeneinfahrt, dass der wohl nur von ortskundigen Fischern angelaufen wird 😉 .

Port Ness

Port Ness

Port Ness Hafeneinfahrt

Port Ness

Ob der überhaupt noch in Betrieb ist, ist nicht ganz klar. Es liegen wohl vier kleine Boote auf dem Trockenen im Innenhafenbecken, aber die ganze Anlage verfällt. Teile der äußeren Hafenmauer sind abgebrochen, der Betonbelag bröckelt überall und die Leitern sind rostig und wackelig. Direkt am Hafen ist ein schöner Badestrand – leider fehlen dafür noch die nötigen Temperaturen 😉 .

Badebucht am Port Ness

Und noch ein Traumstrand unterwegs

2. Tag mit dem Auto

Jetzt liegen wir schon den dritten Tag in Stornoway und haben von der Stadt noch nicht viel gesehen – ausgenommen Montagabend, da waren wir bei „Cameron“ Fisch essen. Angeblich das beste Fischlokal in Stornoway. Keine Ahnung ob´s stimmt, der Fisch war auf jeden Fall klasse 🙂 .

In Stornoway gibt´s einige kleine Läden, eine Fußgängerzone und vor allem das Lews Castle auf dem Hügel gegenüber des Hafens in einem richtig großen Park mit vielen Rhododendren und noch mehr großen, knorrigen Bäumen.

Lews Castle

Eingang vom Castle

Vom Blitz getroffen?

Unterwegs im Wald

Wir machen einen ausgiebigen Spaziergang durch den Park, gucken uns das Erdgeschoss des Lews Castle an – der Rest ist für die Öffentlichkeit nicht zugänglich und gehen danach in´s Museum nan Eilean, direkt neben dem Castle. Hier wird sehr anschaulich das Leben auf den äußeren Hebriden dargestellt. Prima gemacht! Auch Nachbildungen der Lewis Chessmen, Schachfiguren der Wikinger aus Elfenbein, die auf Lewis gefunden wurden, sind hier ausgestellt. Die Originale befinden sich im Londoner British Museum und in Edinbugh im Nation Museum.

In vielen Restaurants und Cafe´s auf den Hebriden gibt es Speisen, die aus lokalen Produkten zubereitet sind – so auch im Lewis Castle Storehaus. Hier essen wir wieder mal …. Fisch 🙂 . Lachs mit einer Kräuterkruste im Ofen gebacken, dazu Gemüse und Kartoffeln – super. Wenn ich so kochen könnte….

Special of the day

Spaziergang durch Stornoway

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