Donnerstag, 17.09.2015 – Sonntag, 20.09.2015
NW 5 Bft, W 6-7-5-4 Bft, NW 4 Bft, N 4-5 Bft – 326,8 sm – 56h 58min – Ø 5,7 kn – gesamt: 3.923,4 sm
Endspurt – es geht über die Nordsee nach Vlieland und dann weiter in´s Ijsselmeer. Dort werden wir unseren diesjährigen Törn gemütlich ausklingen lassen und uns auch einen Winterliegeplatz für unsere Ruby Tuesday suchen. Gerne in Urk, wo wir bis 2012 unseren Liegeplatz hatten.
Den Donnerstag verbringen wir mit Vorbereitungen für den dreitägigen
Trip über die Nordsee – Lebensmittel einkaufen, Brot backen, Eintopf vorkochen, Schiff und insbesondere das Rigg checken, Wasser und Diesel bunkern und vor allem immer wieder den Wetterbericht studieren.
Wir brauchen ein Wetterfenster für drei Tage – ca. 320 sm von Egersund bis Vlieland bei durchschnittlich 5 kn Fahrt dauern ca. 64 Stunden. Wetter ist ja bekanntlich kein Wunschkonzert, trotzdem gibt es ein paar Rahmenbedingungen, die wir gerne hätten: Keinen Kreuzkurz, d.h. keinen Wind aus Süd oder Südwest, höchstens einen Am-Wind-Kurs, gerne raumen Wind aus Nordwest mit 5 Bft, damit wir auch voran kommen, nicht zu hohe Wellen, weil die das Leben an Bord ungemütlich machen, nicht zu wenig Wind, weil es dann schwierig mit dem Segeln wird und auch nicht zu viel Wind, weil der dann auch gleich wieder für hohe Wellen sorgt. Nicht ganz einfach, aber wir bekommen sehr gute Wettervorhersagen für fünf Tage von Wetterwelt, mit denen wir ein Streckenwetter generieren können. Daraus erkennen wir ziemlich genau, mit welchen Wetterbedingungen wir an welcher Stelle auf dem Trip rechnen müssen. Also probieren wir verschiedene Varianten aus. Starten wir zu früh, also heute gegen 17:00 Uhr, haben wir hier und auch am Ende des Trips zu wenig Wind, in der ersten Nacht bis mittags des nächsten Tages 5-6 Bft aus West mit bis zu 2,3 Meter Welle. Start morgen früh bringt uns weniger Welle, aber insgesamt zu wenig Wind, um durchgehend zu segeln. Die besten Bedingungen hätten wir bei einem Start gegen Mitternacht, aber bei stockdunkler Nacht ist das keine Option für uns. Wir wollen nicht in´s Dunkle segeln, ohne erst mal die Bedingungen auf See zu sehen. Und hier ist es wirklich richtig dunkel. Keine Lichtschimmer von der Küste und auch kein Mond 🙁 .
Wir entscheiden uns für einen Start gegen 18:00 Uhr, sind dann gegen 19:00 Uhr aus dem Sund heraus auf der Nordsee und haben noch ca. 2 Stunden, bis es ganz dunkel ist. Das Streckenwetter sagt uns voraus, dass wir mit 4-5 Bft aus Nordwest und 1,7 Meter Dünung aus Süd starten werden. Der Wind soll dann langsam auf West drehen, die Welle auch und auf bis zu 2,3 Meter zunehmen. Sicherlich nicht angenehm, aber machbar. Diese Bedingungen sind von 21:00 Uhr bis zum nächsten Mittag vorhergesagt. Dann sollen Wind und Welle abnehmen, auf Nordwest drehen und uns das Segeln wieder gemütlicher machen. Wir sind gespannt, ob Wetterwelt Recht behält.
Sobald wir aus dem Sund heraus sind, erwartet uns Wind aus Nordwest mit 4 -5 Bft, der schnell auf 5-6 Bft zunimmt. Die lange, hohe Dünung kommt aus Süd und wir segeln entspannt in die Nacht. Das ändert sich „schleichend“ ab 21:00 Uhr, als der Wind auf West dreht, auf 7 Bft zunimmt (nicht wie vorhergesagt 5-6 Bft) und auch die Welle aus West kommt. Ich übernehme die erste Wache, Peter versucht zu schlafen. Wir segeln jetzt mit einem Halbwindkurs, nur mit gereffter Genua und auch die Welle trifft uns genau breitseits. Wie hoch die Welle ist, sehen wir nicht, ist ja dunkel, aber wir spüren es. Als erstes fliegt die Nudelpfanne mit dem Rest des Abendessens vom Herd – obwohl sie gesichert ist. Schöne Schweinerei. Kurze Zeit später machen sich einige Bücher aus dem Bücherregal selbstständig und verteilen sich auf dem Boden. Nicht lange nachdem ich Ordnung in´s Chaos gebracht habe und wieder im Cockpit sitze – mit geschlossenem Schiebeluk und geschlossener Kuchenbude – trifft uns eine brechende Welle von der Seite und ergießt sich über uns. Das Wasser spritzt bis in´s Cockpit – ich bin nass – wie ein Wasserfall fließt es vom Schiebeluk auf den Cockpitboden und findet auch den Weg unter Deck. Also auf zur nächsten Putzaktion – ist ja bei den Schiffsbewegungen nicht ganz so einfach. Überhaupt können wir uns nur sehr mühsam an Bord bewegen – immer eine Hand zum Festhalten, die andere zum Arbeiten. Einige blaue Flecken sind uns sicher 🙁 .
Uns treffen noch einige solcher Brecher von der Seite, aber nicht mehr so schlimm, dass das Wasser bis unter Deck spritzt. Nur das Cockpit wird regelmäßig gewässert 😉 . Ob die Wellen jetzt wie vorhergesagt 2,3 Meter oder höher oder weniger hoch sind, können wir schlecht schätzen – auch nicht, als es wieder hell wird. Auf jeden Fall ist es ein ungemütlicher Kurs, da die Wellen uns immer wieder von der Seite treffen und auch auf die Seite drücken. Sehr unangenehm, aber Angst? Haben wir nicht wirklich – unsere Ruby Tuesday segelt und segelt und segelt und kommt mit den Wellen gut klar. Beschwerlich ist so ein Kurs und wir denken schon über die Frage nach, wie wir denn mit drei, vier oder fünf Meter Welle, die ja durchaus auch mal vorkommen können, klar kämen. Bewusst in solche Bedingungen reinsegeln – nein, auf keinen Fall, aber wenn sie eintreten, würden wir den Kurs auf optimale Bedingungen anpassen, auch wenn er dann nicht direkt zum Zielhafen führt.
Bis mittags bleiben uns Wind und Welle aus West erhalten. Zum Frühstück gibt´s mal keinen Obstsalat – das Schnibbeln war mit zu anstrengend – sondern Müsli und Mineralwasser. Kaffee kochen ist auch wegen des Seegangs ausgefallen 🙁 . Mit jeder Stunde nimmt der Wind dann aber ab, bis wir am späten Nachmittag bei 4 Bft aus West das Großsegel setzen und gemütliches Segeln einläuten. Abends haben wir um 18:00 Uhr ein Etmal von 146 sm und eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 6,3 kn. Den unangenehmen Teil dieses Trips haben wir denn wohl ganz gut geschafft.
Ab jetzt machen uns nicht mehr Wind und Welle zu schaffen – der Wind kommt inzwischen aus Nordwest mit 4 Bft und die Welle, nur noch ca. 1,3 Meter hoch, schiebt uns ebenfalls von hinten – sondern wir treffen in der zweiten Nacht auf regen Schiffsverkehr um uns herum. Tanker, Frachter und vor allem Fischer. Peter weicht zwei Tankern aus, die uns direkt entgegen kommen. Ob die unser AIS-Signal nicht sehen oder einfach die eingebaute Vorfahrt der Berufsschifffahrt haben – wir lassen es nicht drauf ankommen und weichen frühzeitig aus. Eine sehr unangenehme Begegnung habe ich dann mitten in der Nacht mit einem Fischer. Lange Zeit hält er seinen Kurs parallel zu uns auf unserer Backbordseite, Abstand ca. 1 sm. Dann ändert der Fischer seinen Kurs und kommt uns immer näher – laut AIS sieht es so aus, als wenn er knapp vor uns passiert. Schön wär´s gewesen, aber er dreht immer weiter auf uns zu. Ich ändere unseren Kurs, um aus seiner Reichweite zu kommen, aber dieses A….. hält weiter auf uns zu. Jetzt fehlt mir Peter – zum Funken, zum Manövrieren. Ich schmeiße den Motor an – um die Segel kann ich mich jetzt nicht mehr kümmern und fahre parallel zum Fischer. Der ist dann schneller als ich, so das ich nach kurzer Zeit wieder auf Kurs gehen kann. Es dauert nicht lange, da ändert der Fischer schon wieder seinen Kurs und hält auf uns zu. Irgendwie fühle ich mich gejagt. In kurzem Abstand geht er hinter uns durch und wiederholt das „Spielchen“ noch einmal, um dann nach Südwesten abzudampfen. Muss so etwas sein?? Bestimmt nicht. Ich fahre seit Stunden den gleichen Kurs – der Fischer seit Stunden parallel zu mir. Er hätte seinen Kurs auch so wechseln können, dass er mir nicht zu nahe kommt. Ja, wir sind nur ein Freizeitboot und er verdient seinen Lebensunterhalt auf See. Dennoch sind solche Manöver unnötig. Ganz andere Erfahrungen haben wir mit einer Fähre gemacht, die sich uns auf dem Trip von Kvitsøy nach Egersund nachts von hinten näherte. Wir haben die Fähre angefunkt und gefragt, ob sie unser AIS-Signal empfänge. Ja, sie sähe uns gut und wolle ihren Kurs nach Backbord ändern, so dass sie uns an Backbord passiere. Ob das für uns o.k. wäre. Ja, klar, ist o.k. und danke auch und weiter eine gute Fahrt. Und auch uns wünscht die Fähre eine gute und sichere Fahrt. Es geht also auch anders.
Nach der ersten unruhigen Nacht ist an Bord Segelroutine eingekehrt. Wir wechseln uns alle vier Stunden mit der Wache ab. Dazwischen essen wir gemeinsam, tauschen unsere Erlebnisse während der Wachen aus und genießen das Segeln. Das Wetter ist gut, Sonnenschein und nicht kalt. Irgendwie ist der Sommer dieses Jahr zu uns wohl mit Verspätung gekommen 😉 .
Wie unser Streckenwetter vorhersagt, dreht der Wind am Samstag Vormittag auf Nord und weht mit 4 Bft, manchmal 5 Bft. Sehr angenehm! So haben wir uns das gewünscht 🙂 und so darf es auch gerne bleiben. 80 Seemeilen noch bis Vlieland – jetzt ist es 13:00 Uhr, das wird wohl eine Nachtansteuerung. Wie gut, dass wir den Hafen von unseren Jahren auf dem Ijsselmeer kennen.
Gemütlich schaukeln wir Vlieland entgegen. Viel Verkehr ist um uns herum. Die Frachter, Tanker und Fähren kommen aus dem Verkehrstrennungsgebiet Vlieland und nehmen dann Kurs Nordost Richtung Skagerak – oder umgekehrt.
Probleme wie mit dem Fischer der letzten Nacht gibt es nicht mehr. Als wir das Verkehrstrennungsgebiet queren, sind wir fast alleine. Dass es immer noch ganz schön wellig ist, sehen wir an einem Fischer, der uns kurz vor Sonnenuntergang entgegen kommt.
Die Nacht ist immer noch dunkel, obwohl wir für einige Stunden den zunehmenden Mond sehen können. Immer wieder versteckt er sich hinter den Wolken.
Spannend wird es dann noch mal, als wir ins Seegatt zwischen Terschelling und Vlieland reinsegeln. War das Wasser in Norwegen oft so tief, dass unser Lot die Tiefe gar nicht anzeigen konnte, haben wir während der ganzen Überfahrt schon nur noch Tiefen zwischen 50 und 40 Metern. Für unser Empfinden viel zu wenig Wasser unter dem Kiel 😉 . Jetzt wird es stetig flacher – nur noch 20 Meter, dann 15 Meter und dann eine ganze Zeit nur 9 oder 10 Meter. Klar, ist ja auch ein Seegatt. Die Wellen sind immer noch gut zu spüren, brechen aber nicht. Und wir haben mitlaufendes Wasser, so dass wir unbeschadet durch das Gatt kommen. Wir halten uns an den Tonnenstrich – zum Glück sind die Tonnen beleuchtet. Ist aber irgendwie ein ganz schönes Durcheinander. Gefühlt blinkt es überall rot und grün, dazwischen auch mal weiß. Wind und Welle lassen nach, als wir um die östliche Ecke von Vlieland biegen und uns im Schutz der Insel befinden. Jetzt wird das Wasser noch flacher – nur noch 6 Meter, dann 5 Meter. Ist irgendwie noch nichts für unsere Nerven – da müssen wir uns erst wieder dran gewöhnen.
Für einen letzten Adrenalinschub sorgt dann die sehr enge Einfahrt zum Hafen von Vlieland. Der Strom versetzt uns stark nach Osten, so dass wir mit fast 45° vorhalten müssen. Erst zwischen den Molenköpfen lässt der Strom nach und wir können wieder geradeaus fahren. Im Hafen liegen einige Schiffe – es ist ja Wochenende – aber wir finden problemlos einen Liegeplatz an der ersten Stegreihe.
Um 03:00 Uhr sind wir nach drei Jahren wieder in Vlieland fest. Hier haben wir im Oktober 2012 zuletzt gelegen, um dann unsere Ruby Tuesday nach Hamburg in`s Winterlager zu segeln. Jetzt sind wir wieder in unserem seglerischen „zu Hause“ – auf den Inseln und dann im Ijsselmeer. Hier werden wir in den nächsten 14 Tagen noch ein bisschen segeln, alter Erinnerungen auffrischen, uns mit Familie und Freunden treffen, die schönen Städtchen am Ijsselmeer besuchen und, und, und ….