Montag, 14.07.2014 – Samstag, 19.07.2014
Nach 6 Tagen in Finnisch-Lappland, das auf dem selben Breitengrad wie Alaska und Sibirien liegt, und rund 2.300 gefahrenen Kilometern sind wir wieder zurück an Bord unserer Ruby Tuesday. Unserem Schiff geht es genauso gut wie uns!! Der Hafen Kemi bietet sich als „Langzeitliegeplatz“ sehr gut an. Die Liegegebühren sind sehr günstig und es ist ein Vereinshafen mit Gästebrücke, so dass auch immer jemand vor Ort ist. Den Leihwagen gibt es am Flugplatz von Kemi. Verbesserungsfähig wäre die Anbindung des ÖPNV an den Flughafen.
Wir haben für unsere Rundreise durch Lappland nur einen groben Plan und genauso wie beim Segeln sind wir auf den Plan nicht fixiert, sondern weichen immer wieder davon ab. Unterwegs bekommen wir oft die schönsten Tipps, Flyer, oder „Sightseeing-Karten“ und kommen dadurch bis zum Eismeer in Norwegen und dem Dreiländer-Eck von Norwegen, Schweden und Finnland. Nicht nur bei uns gibt es ein Drei-Länder-Eck 🙂 Das Skandinavische Dreiländer-Eck liegt allerdings in einem Bergsee!
Wir sind fasziniert von der Natur Finnlands – mal sanft geschwungene Hügel, dann Wiesen mit Seen und viel Schilf, dann wieder karge Berge oberhalb der Baumgrenze. Jede Menge Nationalparks mit Möglichkeiten zu Wandern oder zum Kajak fahren. Und grenzenloses Land ohne eine Menschenseele oder Bebauung in irgendeiner Form. Finnisch Lappland ist flächenmäßig größer, als alle Beneluxländer zusammen, mit gerade mal 200.000 Einwohnern aber nahezu entvölkert.
Die Straßen sind in sehr gutem Zustand, keine Spur von Frostschäden und leer, keine Ampeln – wozu auch, es geht ja nur gerade aus. Ab und an kommt mal eine Auto entgegen, aber jeden Tag sehen wir Rentiere, die gerne mal auf der Straße entlang laufen und sich nicht von den Autos erschrecken lassen. Oft stehen die Rentiere auch am Straßenrand und grasen. Auch dabei lassen sie sich nicht stören. Zum Schutz der Rentiere und auch der Autofahrer sind neben den Straßen breite Böschungen abgeholzt, damit man rechtzeitig sieht, wenn die Tiere aus dem Wald kommen, um die Straße zu überqueren. Ganz Nordfinnland – also oberhalb des Polarkreises, ist Rentierzuchtgebiet. Das gleiche gilt für Schweden und Norwegen. Die Rentierherden ziehen im Sommer auf die Fjells, die Berge, um den Mücken zu entgehen. Erst im Winter treiben die Sami sie wieder zu den Rentierscheideplätzen. Dort werden die Rentiere „aussortiert“. Die einen werden geschlachtet, die anderen verkauft und die nächsten werden zur Zucht eingesetzt. Um „grenzüberschreitenden Verkehr“ der Rentiere zu verhindern, sind alle grünen Grenzen zwischen Finnland, Schweden und Norwegen mit großen Zäunen versehen 🙂 Leider sehen wir die großen Rentierherden auf unserer Tour nicht.
Wir bewegen uns auf unserer Tour fast ausschließlich nördlich des Polarkreises und genießen den arktischen Sommer, 30° direkt am Polarkreis, je höher wir nach Norden kommen, um so kälter wird es. Mit 12° in Utsjoki haben wir die niedrigste Temperatur, am Eismeer in Norwegen ist es vor allem sehr windig und dadurch kalt. Es sind angenehme Temperaturen, um über Land zu reisen. Weniger angenehm sind die unzähligen Mücken nördlich des Polarkreises. Die Rentiere flüchten vor den Mücken in die hochgelegenen Fjells, die Menschen in den kleinen Dörfern müssen in dem kurzen Sommer damit leben. Überall hören wir, dass es in diesem Jahr besonders schlimm ist – eine Mückenplage gibt es aber jedes Jahr.
Dunkel wird es ja schon lange nicht mehr, aber nördlich des Polarkreises geht die Sonne gar nicht mehr unter. Sie bleibt am Himmel und verschwindet nicht mehr hinter dem Horizont. Aber nur von Mittsommer bis Ende Juli. Dann ist der Sommer schon wieder vorbei, die Tage werden wieder kürzer und kühler. Kaum zu glauben, dass der Winter hier mit bis zu -50° einfällt und die Tage kaum mehr hell werden. Der Bottnische Meerbusen ist normalerweise von Dezember bis Mai zugefroren, der erste Schnee kann schon im August in den nördlicheren Breiten Lapplands fallen. Gerade schwitzen wir bei 30°!
Auch wenn es hell bleibt und die Sonne rund um die Uhr scheint , müssen wir mal schlafen. Übernachtungsmöglichkeiten gibt es viele, hauptsächlich Campingplätze mit „Mökkis“. Mökkis sind kleine Hütten mit zwei oder mehr Schlafplätzen, einer kleinen Küchenzeile und einer Sitzgelegenheit. Bettzeug bringen wir selbst mit und vom Segeln sind wir Gemeinschafts-Sanitär ja auch gewohnt. Zweimal übernachten wir in Hotels, die aber nicht unbedingt höheren Komfort bieten, als die Mökkis. Also alles eher einfach, auch die Mökkis sind in unterschiedlichem Zustand. Luxushotels haben wir nicht gefunden – aber auch nicht danach gesucht 🙂 Auch bei den Unterkünften macht sich die Mückenplage deutlich bemerkbar – wir können weder im Hotel noch in den Mökkis die Fenster öffnen. Soll wohl zum Schutz gegen die Mücken sein – allerdings ist die Luft in den Räumen auch zum Schneiden und Mücken sind trotzdem überall. Vielleicht reisen wir demnächst mit Zelt 🙂
Unterwegs haben wir sehr ausgefallene Verkehrsschilder gesehen, die es in dieser Form bei uns zu Hause nicht gibt. Leider habe ich das Schild“Achtung Skiläufer“ nicht fotografiert 🙁
In Lappland liegen die Häuser so verstreut und weit ab der Straßen, dass es keine Hausnummern an den Häusern gibt, sondern Straßenschilder mit Hausnummern. Für die Post gibt es ganz individuell gestaltete „Briefhäuschen“.
Hier die einzelnen Stationen unserer Reise in Kurzform:
Kemi – Rovaniemi – Kultakero – Sodankylä – Tankavaara – Ivalo – Nellim – Inari – Utsjoki – Nuorgam – Varangerfjord in Norwegen – Karigasniemi – Lemmenjoki-Nationalpark – Enontekiö – Kilpisjärvi (Drei-Länder-Eck) – Munio – Kukkola – Haparanda – Haparandahamn – Tornio – Kemi
Und ab jetzt ein ausführlicher Reisebericht für alle, die es interessiert, aber vor allem für uns als Erinnerung:
Montag, 14.07.2014
Kemi – Rovaniemi – Kultakero im Pyhätunturi-Nationalpark – Sodankylä
Bevor wir uns auf den Weg Richtung Lappland begeben, machen wir noch einen kurzen Abstecher in den Industriehafen von Kemi. Dort liegt „Sampo“, ein ehemaliger Eisbrecher, 35 Jahre alt, aber immer noch ganz schön kräftig und aktiv.
Von Dezember bis April kann man mit „Sampo“ eine vierstündige Eiskreuzfahrt in die zugefrorene Ostsee (bis zu 1,5 Meter dickes Eis) machen – schwimmen im Eis in Überlebensanzügen inklusive. Im Sommer kann man den Eisbrecher besichtigen – nur heute leider nicht. Es ist Montag und da ist Ruhetag. Kemi ist im Winter sicherlich eine attraktivere Stadt, als im Sommer. Hier gibt es ein Eishotel und eine Eiskapelle – cooler Ort für eine Trauung. Sonst ist Kemi eher sachlich nüchtern mit schönen breiten Straßen und viel Platz zwischen den Hoch- und Holzhäusern. Ein wirkliches Zentrum gibt es nicht, durch ein riesiges Einkaufszentrum am Stadtrand ist die eigentliche Stadt ziemlich leergefegt.
Schnell machen wir den Kurs „Finnisch für Anfänger“: Joki heißt Fluss, Järvi heißt See. Also, am Fluss Kemijoki geht es nordwärts nach Rovaniemi, zunächst vorbei an Flussniederungen und Weidelandschaften, erst später wird es wald- und hügelreicher.
Rovaniemi liegt am Polarkreis und ist eine quirlige Stadt mit Museen, Theatern und einer Universität. Bevor wir das Arktikum besuchen, machen wir einen Abstecher auf den Hausberg „Ounasvaara“, 203 Meter ü.N.N., mit dem Wintersportzentrum, einem Sessellift am Sky-Hotel, und einigen Abfahrten für Mountainbiker. Mehr interessiert uns aber die tolle Aussicht über die Umgebung.
Im Arktikum erfahren wir viel über die Veränderungen der arktischen Natur und das Leben und die Kultur der arktischen Völker, wie der Inuit sowie über das Leben, die Geschichte und die Kultur der Sami in Lappland und die Bedeutung von Rentierzucht und Tourismus für die Sami. Gut gemacht und wirklich sehr informativ.
Weiter geht es zum echten Polarkreis, einige Kilometer nördlich von Rovaniemi. Der wird hier ganz schön vermarktet, wohnt doch auch der Weihnachtsmann das ganze Jahr am Polarkreis im Weihnachtsmanndorf.
Wir verlassen das Weihnachtsmanndorf ganz schnell wieder und fahren weiter Richtung Norden. Jetzt beginnen die endlosen Weiten ohne Bebaung. Rechts und links der Straße nur Wald, mal Seen, mals Feuchtgebiete mit Schilf.
Im Pyhätunturi-Nationalpark sehen wir dann das erste Rentier – war das spannend. Es stand einfach am Wegrand und guckte in die Kamera, als wenn es nur auf seinen Auftritt gewartet hätte.
Etwas weiter entlang der Straße liegt ein Skigebiet. Hier treffen wir nicht auf Skiläufer, sondern wieder auf Rentiere. Skigebiete im Sommer sehen einfach nur schrecklich aus, da helfen auch keine Rentiere.
Ein Stückchen fahren wir noch Richtung Sodankylä, dann halten wir an einem Campingplatz, der auch Mökkis vermietet. Wunderschön gelegen an einem kleinen See stehen auf einem weniger schönen Grundstück einige Mökkis. Eine davon ist unsere, wir richten uns ein und lassen den Abend am See ausklingen. Von Mücken noch keine Spur 🙂 . Aber hier machen wir die erste Erfahrung mit nicht zu öffnenden Fenstern und absolut stickiger Luft in der Hütte.
Dienstag, 15.07.2014
Sodankylä – Tankavaara – Saariselkä – Urho-Kekkonen-Nationalpark – Ivalo – Nellim – Ivalo – Inari – Utsjoki
Wegen der stickigen Luft in unserer Hütte ist die Nacht schon um 06:00 Uhr zu Ende – das sollte nicht die Ausnahme sein, wie wir schnell feststellen werden. Schnell sind wir mit Duschen und Frühstücken fertig, dann geht es auch schon weiter. Heiß ist es heute – mindestens 30°. Arktischer Sommer halt.
Wir halten in Sodankylä an der alten und neuen Kirche am Stadtrand. Beide Kirchen sind wegen der frühen Uhrzeit noch geschlossen, deshalb aber nicht weniger eindrucksvoll. Die alte Holzkirche ist von
1689 und damit die älteste Kirche Lapplands und einer der ältesten Kirchen ganz Finnlands.
Weiter geht`s nach Tankavaara, der Goldgräberstadt. Kaum zu glauben, dass es in Finnland mal einen Goldrausch gegeben hat – 1836 war der erste größere Goldfund und 1930 wurde erneut Gold gefunden. Das wird hier ganz schön vermarktet und wer will, kann auch selbst Gold waschen und vielleicht ein Stäubchen finden. Bekannte Gebäude aus allen Goldgräberstädten werden hier nachgebaut, ein Campingplatz und Mökkis sind da und natürlich ein Salon.
Genauso wie im Weihnachtsmanndorf sind wir auch hier ganz schnell wieder weg und fahren von Saariselkä in den Urho-Kekkonen- Nationalpark. Der Park ist mehr als 2.500 km² groß. Fjellgipfel, weite Wildnis, Flusstäler und Moore, Kiefernwälder, Rentiermoos und natürlich auch Rentiere kann man auf Tages- oder Mehrtageswanderungen sehen. Für Mehrtageswanderungen gibt es im Nationalpark Hütten, in denen man übernachten kann.
Wir beschränken uns auf eine kurze Wanderung zum Gipfel des Kiilopää. Der Weg führt teils über Bohlen, teils über Steine und liegt voll in der Sonne. Trotzdem ist der Ausblick auf die umliegenden Berge beeindruckend. Hier fühlen wir uns wesentlich wohler, als im Weihnachsmanndorf oder bei den Goldgräbern.
Auf unserem weiteren Weg nach Norden fahren wir durch den Wintersportort Saariselkä. Die Häuser wirken hier vollkommen fehl am Platz, da sie einen sehr österreichischen Einschlag haben. Und die Pisten sehen auch hier wieder ganz schrecklich aus. Hier ist die Wiese nicht nur abgefahren, sondern der Untergrund ist sandig und steinig.
Kurz vor Ivalo folgen wir einem Wegweiser zu einem Panorama-Cafe auf einem Berg mit Aussicht auf den Inari-See. Der Weg führt in Serpentinen steil bergauf, auch hier sehen wir wieder Rentiere. Oben angekommen stellen wir fest, dass wir nur, um in das Panorama-Cafe zu kommen, jeder 6 Euro Eintritt zahlen sollen. So schön kann die Aussicht gar nicht sein – wir fahren wieder zurück und haben von der Straße ebenfalls einen schönen Blick auf den Inari-See.
In Ivalo kommen wir an die Ufer des Inari-Sees, der mit 1.400 km² das drittgrößte Gewässer Finnlands ist. Auf dem See sind mehr als 3.000 kleine Inseln und Schären, viele kleine Buchten, Ufer mit Schilf bewachsen – ein wunderschöner Anblick.
Auf einem Abstecher nach Nellim am Südufer des Sees verfahren wir uns, biegen zu früh ab und landen nach einigen Kilometern an einem kleinen Motorboothafen.
Auf dem Inari-See kann man nicht nur Motorboot fahren, sondern auch Kajaks, Kanus und eine Rundfahrt mit dem Kreuzfahrtschiff stehen zur Verfügung. Wir begnügen uns mit einer kurzen Rast am Ufer des Sees und fahren dann zurück über Ivalo nach Inari.
Inari ist einer der größeren, touristisch erschlossenen Orte in Lappland. 7.000 Einwohner leben hier immerhin, darunter ein Drittel Sami. Die Touristen bringen Leben in den Ort, an den Ufern des Inari-Sees ist viel los. Wir besuchen hier Siida, das Sami-Museum, in dem sehr eindrucksvoll die über 9.000 Jahre zurück gehende Siedlungsgeschichte der Region dokumentiert wird.
Die Hauptausstellung informiert über das Leben der Sami, den Alltag der Rentierzucht, die Tiere und Pflanzen der Gegend in den vier Jahreszeiten von der Vergangenheit bis heute. Spannend, aber tauschen wollen wir nicht. In einer weiteren Ausstellung sehen wir Infotafeln zu den Naturparks der Umgebung und auch einen Film über Outdooraktivitäten. Begeistert sind wir von den Bildern vom Kajak fahren in einmalig schöner Landschaft. Zu dem Museum gehört auch ein sehr großer Außenbereich mit Rekonstruktionen der Gebäude der unterschiedlichen Sami-Gruppen, die zeigen, wie die Sami gelebt und wie sie ihre Nahrung verstaut und gelagert haben.
Der Endspurt bringt uns heute noch 180 Kilometer weiter nach Norden nach Utsjoki. Dort suchen wir nur noch nach dem Hotel aus unserem Reiseführer. Das gibt es aber nicht mehr – ist geschlossen. 6 Kilometer auf der Straße zurück finden wir ein Hotel direkt am Flussufer des Tenojoki. Dort bekommen wir ein Doppelzimmer – mit nicht zu öffnenden Fenstern – und am nächsten Morgen ein lappländisches Frühstück mit Porridge, leckerem Brot, Fisch, Salat und Marmelade.
Mittwoch, 16.07.2014
Utskoki – Nuorgam – Varangerfjord – Utsjoki – Karigasniemi – Inari – Lemmenjoki
Bevor es heute weiter nach Nordwesten nach Norwegen zum Eismeer geht, besichtigen wir noch ein kleines Sami-Dorf am Straßenrand. Das ist nicht bewohnt, sondern ein Museum. Hier sind Originalhäuser der Fischer-Sami ausgestellt.
Der Tenojoki gilt als einer der besten europäischen Lachsflüsse – entsprechend viele Angler sehen wir am Flussufer, aber auch im Fluss zu Fuß oder auf Booten.
Der Tenojoki schlängelt sich durch die Berge, immer wieder sind sandige Insel im Fluss. Wir fahren am Flussufer entlang nach Nuorgam, immer mit Blick auf die finnischen und norwegischen Berge – der Tenojoki ist ein Grenzfluss.
Kurz vor Nuogam folgen wir eine Nebenstraße der Hauptstraße. Die verläuft hoch über dem Ufer des Flusses, ist eine Einbahnstraße, aus Schotter und die erste Straße, die hier als Handelsweg bis in die 1960er Jahre genutzt wurde.Rechts und links der Straße gibt es Stellplätze für Wohnwagen und Wohnmobile, die auch gut besucht sind. Wir staunen über die Fahrkünste der Camper, denn die Straße ist echt schmal und die Stellplätze bieten nicht viel Raum zum Manövrieren.
Nuorgam ist ein „echtes‘ Sami-Dorf. Die dort lebenden Sami leben von Rentierzucht und Fischfang. Und Nuogam ist das Dorf mit den meisten hellen Sommernächten und den meisten dunklen Wintertagen Finnlands. Alle seine Einrichtungen – darunter auch ein Pub – sind jeweils die nördlichsten Finnlands und also auch der EU.
Bis zur norwegischen Grenze ist es nicht mehr weit und eine halbe Stunde später sind wir am Varangerfjord am Eismeer. Der Anblick ist fantastisch – aufgewühltes blaues Wasser, viel Wind und Sonnenschein. Lange bleiben wir hier nicht – es ist einfach zu kalt, um sich im Wind draußen aufzuhalten.
Auf der norwegischen Seite des Tenojoki fahren wir durch bezaubernde Landschaft zurück nach Utsjoki, überqueren dort auf der doppelten Schrägseilbrücke den Fluss und fahren am wohl schönsten Stück des Flusses wieder nach Süden bis zum Lemmenjoki-Nationalpark. Immer wieder halten wir, um uns die Landschaft nicht nur im Vorbeifahren anzusehen. Auch Rentiere kreuzen heute wieder unseren Weg.
Zum Lemmenjoki-Nationalpark fahren wir von Inari über eine kleine Straße ohne Tankstelle oder Einkehrmöglichkeit. Hier erleben wir noch mal eine Steigerung der Einsamkeit. Abseits der ausgetretenen Touristenpfade entdecken wir Lapplands Wälder, Seen und wollgrasübersäte Moore.
Hier treffen wir dann auch auf eine kleine Herde Rentiere, die auf und neben der Straße stehen. Irgendwie angenervt über die blöden Autofahrer machen sie uns nur sehr unwillig Platz. Wir genießen das Schauspiel!
Im Lemmenjoko-Nationalpark übernachten wir in einer ganz neuen „`Mökki-Anlage“‚ direkt am Lemmenjoki – Mücken inklusive. Bevor wir den Abend einläuten, fahren wir noch ein paar Kilometer zum Besucherzentrum des Lemmenjoki-Nationalparks. Auf dem Weg dorthin nehmen wir – ganz gegen unsere Gewohnheit – einen Anhalter mit.
Paulus ist Finne, vielleicht Same, spricht bis auf ein paar Brocken kein Englisch, macht uns aber durch Zeichen und Mimik sehr eindeutig klar, dass er zum nächsten Pub am Besucherzentrum möchte. Dort setzen wir ihn ab, verabschieden uns und machen uns wieder auf den Weg zu unserem Mökki. Draußen sitzen und essen oder lesen geht wegen der vielen Mücken leider nicht.
Donnerstag, 17.07.2014
Lemmenjoki-Nationalpark – Muonio – Pallas-Yllästusturi-Nationalpark – Enontekiö
Auch heute starten wir wieder früh, da es wegen der schlechten Luft und der Mücken im Mökki nicht mehr auszuhalten ist. Wir fahren auf der Nebenstrecke ein paar Kilometer bis zum Repojoki und kommen an mehreren Rentierzüchtern mit ihren Rentierscheideplätzen vorbei. Beeindruckend sind alleine schon die leeren Zäune und Gehege, wie muss es erst sein, wenn hier die großen Herden im Winter zusammengetrieben sind.
Am Parkplatz startet ein 6 km langer Wanderweg nach Salisvaari im Lemmenjoki-Nationalpark. In Salisvaari gab es bis 1960 einen Rentierscheideplatz mit Winterdorf, der aufgegeben wurde, als die Sami nicht mehr mit ihren Rentierherden umherzogen. Diese Wanderung werden wir so schnell nicht vergessen, denn wir werden von den Mücken förmlich aufgefressen. Sobald wir stehen bleiben, stürzen sich die bluthungrigen Viecher auf uns und attakieren uns. Schnell wandern, um den Mücken zu entgehen, können wir auch nicht, da der Weg sehr beschwerlich ist. Es ist kein geebneter Weg, sondern wir müssen über Steine, Wurzeln und ab und an über Holzbohlen laufen. Zum Glück nicht auch noch bergau und bergab. Da brauchen wir für die eigentlich recht kurze Strecke von 6 km gut anderthalb Stunden. Aber der Weg lohnt sich, auch wenn diesmal nicht gilt: Der Weg ist das Ziel.
Der Rentierscheideplatz in Salivaara ist restauriert worden und wir können durch das Sammelgehege, das Stehgehege und das Wurfgehege mit seinen vielen kleinen Seitengehegen streifen. Rund um die Gehege sind die Häuser, die zum Dorf gehörten, ebenfalls restauriert. Im ehemaligen Tanzlokal liegen Informationen in Deutscher Übersetzung aus und wir flüchten uns in diese Info-Hütte.
Die Sami als Rentierzüchter sind bis ca. 1960 hinter ihren Rentierherden hergezogen. Im Sommer zogen die Rentierherden auf der Flucht vor den Mücken in die Fjells, im Winter wurden die Tiere zu den Rentierscheideplätzen getrieben, bei denen auch die Winterdörfer der Sami waren. Im Sommer lebten die Sami in Zelten. Bei der Rentierscheidung wurden die Rentiere zuerst in das Sammelgehege getrieben, von dort in das kleinere Stehgehege und dann in das Wurfgehege, in dem sie mit Lasso gefangen und zum Schlachten, zur Zucht oder zum Verkauf aussortiert wurden. Entsprechend wurden sie in die kleineren Gehege am Wurfgehege gesperrt. Die Rentierzüchter erkennen ihre Herden an den Markierungen, die den Tieren in die Ohren geschnitten werden. Grenzen kannten die Rentiere nicht und so wanderten sie auch über die Grenzen. Irgendwann wurden die Grenzen mit Zäunen geschlossen, Zuchtgemeinschaften mit eigenem Weidegebiet gegründet und das Umherwandern der Sami hatte ein Ende. Sie wurden sesshaft und mit Hilfe von Snowmobilen ist auch der Zusammentrieb im Winter nicht mehr so aufwendig, wie in der Vergangenheit. Die riesigen Weidegebiete sind heute mit Zäunen markiert und lassen den Rentieren die Möglichkeit, sich ohne „Aufsicht“ zu bewegen.
Ziemlich entnervt von den vielen Mücken fahren wir weiter nach Muonio. Unterwegs begegnen wir auf dieser Nebenstrecke wieder einer kleinen Rentierherde. 10 -12 Rentiere verteilen sich auf der Straße und der Böschung. Von uns lassen sie sich überhaupt nicht stören. Wir filmen, machen Fotos und versuchen dann, ganz vorsichtig an den Tieren vorbei zu fahren. Obwohl wir jeden Tag immer mal wieder Rentiere sehen, sind wir jedes mal ganz begeistert, wenn wir wieder auf diese gar nicht scheuen Tiere treffen.
Die bisher asphaltierte Straße verwandelt sich in eine festgefahren Lehmstraße mit vielen kleinen Bodenwellen. Das ist einschläfernd beim Fahren und wir wechseln uns am Lenkrad in immer kürzeren Abständen ab.
In Munio kaufen wir dann für unser verspätetes Mittagessen ein und verkriechen uns im Pallas-Nationalpark an einem kleinen See in eine geschlossene Grillhütte, um dort einigermaßen ungestört von den Mücken zu essen. Alleine die Aussicht auf den See entschädigt schon wieder für alles.
Als wir kurz vor Enontekiö an einem See mehrere größere und kleinere Hütten sehen, beenden wir den Tag dort. Wir bekommen ein fast mückenfreies Doppelzimmer mit großem Vorraum, Dusche und WC. Den schönen Blick auf den See genießen wir dann hinter Glas 🙂
Freitag, 18.07.2014
Enontekiö – Litto – Muotkatakka – Kilpisjärvi – Finnisch-Schwedisch-Norwegische Grenze – Muonio
Wir bekommen im Hatan Kota, dem Hüttendorf ein richtig leckeres finnisches Frühstück und machen uns dann auf den Weg zum „Drei-Länder-Eck“ Finnland-Schweden-Norwegen. Die Landschaft ändert sich wieder, mal sehen wir sanft geschwungen Hügel, dann Seen, Flüsse und weite Feuchtgebiete – voraus immer den Blick auf die Berge am „Drei-Länder-Eck“, die dann doch eher schroff wirken. Die Straße führt bergauf und bergab – immer haben wir einen Blick in unendliche Weite!
Auf dem Weg nach Norden passieren wir Litto und sehen uns dort das Palsa-Moor an. Palsas sind kleine, ovale Bodenerhebungen in Permafrostgebieten. Der Kern der Palsas besteht aus gefrorenem Torf und Eislinsen. Durch die Volumenausdehnung des Eises beim Gefrieren wird Druck auf das umgebende Moorschicht ausgeübt, und nach und nach empor gehoben, bis sie irgendwann aufbricht. Auf einem Holzbohlenweg können wir durch das Moor – immer begleitet von vielen Mücken – bis an die Palsas heran. Der älteste ist 2.000 Jahre alt und 7 Meter breit. Die verschiedenen Stadien der Palsas können wir gut erkennen. Wieder mal etwas dazugelernt.
Unser nächster Stopp ist bei Muotkatakka, mit 565 Metern der höchste Straßenpass Finnlands. Inspiriert durch Radfahrer, die die Alpen mit dem Tandem überqueren und auf jedem bezwungenen Pass ein Foto von sich mit dem Passschild machen, haben wir uns natürlich auch fotografiert 🙂 Vielleicht waren wir nicht ganz so erschöpft, wie die Tandemfahrer 🙂
Auf jeden Fall haben wir von hier oben einen tollen Blick auf den Kilpsijärvi-See und die umliegenden Berge. Ab hier gibt es nur noch ganz vereinzelt Mücken. Wir sind fast oberhalb der Baumgrenze. Ist das eine Wohltat.
Weiter geht`s bergab nach Kilpisjärvi. Dort machen wir eine Bootstour über den Kilpisjärvi-See und wandern von der Anlegestelle noch ca. 3 Kilometer über Holzbohlen zum „Drei-Länder-Eck“.
Das liegt nicht an Land, sondern die Grenzen der drei Länder treffen sich im Wasser. Die Stelle ist mit einer großen gelben Tonne markiert und ein Steg führt dorthin. Wir amüsieren uns sehr über drei junge Männer, die sich mit ernster Miene an jeder Landesgrenze verneigen und dabei einen Schluck Schnaps aus bunten Plastikbechern trinken. Alle haben ihren Spaß dabei!
Peter fährt dann mit dem Boot wieder nach Kilpsjärvi zurück, ich wandere die 11 Kilometer auf dem Malla-Trail durch den Nationalpark nach Kilpisjärvi. 11 Kilometer sind ja keine weite Strecke, aber der Tail hat es in sich. Zunächst geht es an der Finnisch – Norwegischen Grenze geradeaus bergauf. Immer schön am Zaun lang!!
Dann biegt der Weg langsam ab und verläuft ansteigend parallel zum Berg. Es geht über Stock und Stein, über Felsenstufen und Holzbohlen. Das Laufen ist anstrengend, da ich nicht „ausschreiten“ und zügig wandern kann, sondern ich muss mir jeden Tritt suchen.
Aber es ist schön hier. Keine Mücken und eine fantastische Aussicht! Nach einer knappen Stunde habe ich die Baumgrenze erreicht und kann auf dem unter mit liegenden Kilpisjärvi-See das Boot sehen, in dem Peter und die anderen Fahrgäste zurück nach Kilpisjärvi schippern.
Der Weg führt dann ein ganzes Stück parallel zum Berg ohne großartige Steigungen. Dann geht es aber richtig zur Sache. Ich muss über mehrere Geröllfelder steigen. Hier gibt es gar keine Weg mehr, sondern nur noch Steine.
Dann kommt die „Krönung“ Ein Bach ist im Weg. Ohne Brücke. Nur ein paar sehr großzügig verteilte Steine, über die man vielleicht trockenen Fußes über den Bach kommt. Vielleicht aber auch nicht. Mir kommen zwei junge Mädchen entgegen, die im ersten Moment genauso ratlos gucken wie ich, dann aber einen Weg finden und sich über den Bach hangeln. Eines der Mädchen bietet mir dann beim Überqueren des Baches ihre Hilfe an. Wirklich sehr freundlich 🙂 . Ob`s wohl am Alter liegt? Ich bin auf jeden Fall ohne nasse Füße und ohne Hilfe ganz elegant auf die andere Bachseite gekommen.
Etwas später komme ich an einen Wasserfall, der in einen etwas größeren Bach mündet und sich dann wieder als Wasserfall in das Tal stürzt. Auch hier ist keine Brücke, das Wasser fließt wesentlich schneller und scheint auch tiefer zu sein. Auf meiner Seite des Baches liegt ein großer Wanderstab, mit dessen Hilfe ich auch hier trocken über den Bach komme. Ich lasse den Wanderstab dann mal für die nächsten Wanderer liegen.
Weiter geht`s bis zum Pass, dann geht`s nur noch bergab, vorbei an zwei Bergseen, noch ein Blick auf die Norwegisch-Finnische Grenzstation, dann bin ich nach 3 Stunden nass geschwitzt, aber glücklich und absolut zufrieden wieder in Kilpsjärvi.
Wir fahren noch gut zwei Stunden zurück Richtung Süden, genießen einmal mehr die Landschaft und machen in Muonio halt für die Nacht. Hier schlafen wir in einem sehr einfachen Mökki am Muoniojärvi und freuen uns jetzt doch langsam, auf unsere Ruby Tuesday zurückzukehren.
Samstag, 19.07.2014
Munio – Kukkolafossen – Haparanda – Haparandahamn – Tornio – Kemi
Bis nach Kemi haben wir immer noch ca. 350 Kilometer vor uns. Unterwegs sehen wir immer wieder Rentiere am Straßenrand. Jedes mal freuen wir uns darüber, denn nach Überquerung des Polarkreises ist es dann vorbei mit den Rentieren. Die Achtung-Schilder wechseln von „Achtung Rentiere“ auf „Achtung Elche“ Elche haben wir bis jetzt leider immer noch nicht gesehen – weder schwimmend auf den Alandinseln, noch hier weiter im finnischen Norden.
Wir überqueren den Torniojoki, um zum schwedischen Kukkolafossen zu kommen. Und plötzlich sehen wir im Vorbeifahren in einer Wiese am Straßenrand eine Elchkuh mit ihrem Kalb beim Äsen. Bis ich mich mit Fotoapparat bewaffnet dorthin zurückgeschlichen habe, sind die beiden schon wieder verschwunden. Scheinen echt scheue Tiere zu sein – ganz im Gegenteil zu den vielen Rentieren, die wir auf unserer Tour durch Lappland gesehen haben und die nur sehr unwillig die Straßen frei gemacht haben.
Kukkolafossen sind starke Stromschnellen im Torniojoki, an denen auf sehr wackelig aussehenden Stegen mit Keschern gefischt wird. Ein echtes Erlebnis, nur möchten wir nicht auf diesen weit in den Fluss reichenden Stegen stehen. Ein altes Fischerdorf ist als Museum aufbereitet und bietet einen Einblick in das Leben in diesem Dorf. Wir nehmen uns frischen geräucherten Fisch mit – nicht selbst gefangen, aber trotzdem sehr lecker.
Dann hat uns die Zivilisation auch schon wieder! Nach und nach stehen immer mehr Häuser an beiden Seiten der Straße, bis wir dann in Haparanda sind. Dort machen wir einen kurzen Stadtrundgang, sind aber nicht wirklich begeistert. Alles sehr nüchtern und sachlich, kaum Leben in der Stadt, aber mächtig viel los im Einkaufszentrum.
Das gleiche erleben wir später in Tornio, nur alles etwas modernern und größer. Haparanda in Schweden und Tornio in Finnland werden durch den Grenzfluss Torniojoki getrennt, aber touristisch gemeinsam vermarktet. Die Grenze zwischen den beiden Städten ist mit einer Skulptur und einem Wasserlauf sehr schön gestaltet. Mit einem Fuß stehen wir in Finnland, mit dem anderen in Schweden. Nett gemacht!
Nächster Hafen, den wir mit unserer „`Ruby Tuesday“‚ anlaufen wollen, ist Haparandahamn. Der gehört zu Haparanda, liegt aber ca. 18 km von der Stadt entfernt. Die Ostsee ist in Haparanda nicht mehr tief genug für einen Hafen. Wir nähern uns dem Hafen erstmal nicht von See, sondern von der Straße.
Klein ist er und nicht tief. Ein Campingplatz gehört dazu. Wirklich toll ist es hier nicht, aber das Clubhaus des Segelvereins ist legendär. Dort hängen viele ausländische Yachten, die ihren Weg bis hierher geschafft haben, ihren Vereinsstander mit Schiffsnamen an die Wand. Warum hier und nicht in Törehamn, dem nördlichsten Hafen, wissen wir nicht. Auf jeden Fall sehr beeindruckend! Auch wir wollen hier unseren Vereinsstander von der AGFS lassen, aber nur, wenn wir mit unserer Ruby Tuesday hier auch einlaufen.
Es ist heiß, die Sonne brennt und wir sind von den beiden Städten nach den 6 Tagen in den Weiten Lapplands vollkommen überfordert. Lärm, viele Autos, noch mehr Menschen – auf in die nächste Ankerbucht!