Freitag, den 26.08.2016 – Sonntag, den 28.08.2016
NE-S 2-3 Bft – 240sm – 52h 48min – Ø 4,6kn – gesamt: 3.381,8sm
Eigentlich sah es in den letzten Tagen so aus, als wenn wir ab Sonntag ganz gute Bedingungen haben, um zu den Orkneys zu segeln. Wind aus West würde gut passen. Aber wieder mal ändert sich das Wetter – schon ab Montag Nacht ist mit Starkwind und dann mit Sturm bis zu 8 Bft aus Süd und Südwest zu rechnen. Gar nicht gut für uns. Nach Südost wollen wir 😉 . Und für 212 sm direkten Kurs brauchen wir auch etwas länger, als nur ein paar Stunden 😉 . Sehenden Auges segeln wir auf jeden Fall nicht in solche Bedingungen. Erwischt es uns unterwegs, müssen und können wir damit klarkommen. Aber wenn es sich vermeiden lässt – besser so 😉 .
Die Vorhersage für heute, Samstag und Sonntag ist auch nicht toll – wenig Wind aus Nordost, auf Süd drehend und dann auf Südost und Ost rückdrehend. Nicht mehr als maximal 4 Bft, die meiste Zeit 2 Bft oder 2-3 Bft. Wir sitzen vor unserem Wetterwelt-Vorhersageprogramm und lassen die verschiedenen Optionen durch das Wetterrouting laufen. Egal, zu welcher Zeit wir starten – ob heute Morgen, Mittag, Abend, oder Samstag zu jeder beliebigen Uhrzeit – es kommt zu wenig Wind aus der falschen Richtung und ab Montag zu viel Wind auch aus der falschen Richtung 🙁 . Und was danach kommt, wissen wir nicht. Wenn wir nicht vor einer Woche bei auch nicht optimalen Bedingungen von Island losgesegelt wären, wären wir immer noch dort. Es haben sich bis jetzt keine besseren, sonder nur schlechtere Segelbedingungen ergeben. Also sollten wir auch jetzt besser nicht hier bleiben.
Am frühen Nachmittag, nachdem wir nochmal die aktuelle Wettervorhersage von Wetterwelt gecheckt haben, entscheiden wir uns für den Aufbruch in einer Stunde. Das Wetter soll nicht besser werden, also können wir auch jetzt losdümpeln. Vielleicht haben wir ja ein bisschen mehr Wind, als vorhergesagt 😉 . Kurz noch zur Tankstelle, um die verbrauchten 25 Liter Diesel wieder aufzufüllen und schon geht´s los.
Drei Stunden können wir mit der Strömung gut segeln, dann haben wir keinen Wind mehr. Wir treiben mit 0,0 kn Fahrt durchs Wasser, aber 2,5 kn Fahrt über Grund. Da muss der Motor helfen und ich überlege, ob es nicht besser wäre, nach Suðoroy, der südlichsten Insel der Färöer, abzubiegen. Aber es wird ja nicht besser, wenn wir noch warten ;-(.
Nach einer halben Stunde kommt der Wind zurück und wir segeln bei Wind aus Nordost einen großen Bogen, um Höhe zu gewinnen, wenn der Wind auf Südost und Süd dreht. Das geht eigentlich besser, als erwartet. Hoch am Wind bei wenig Welle und nur 2-3 Bft kommen wir zwar nicht schnell voran – zwischen 4-5 kn Fahrt über Grund – aber die Schiffsbewegungen sind sehr angenehm und entspannt. Unser Kurs zielt lange Zeit direkt auf Norwegen – ungefähr Ålesund würden wir erreichen, wenn wir so weiter segeln würden 😉 .
Mit dieser Segelstellung segeln wir bis Samstag Mittag, dann hat der Wind bis auf Süd gedreht. Für eine Stunde lassen wir den Motor laufen, um die Batterien zu laden – bei dem wenigen Wind arbeitet unser Windgenerator nicht und ohne Sonne helfen auch die Solarpanele nicht 🙁 . Als wir unsere abgesteckte Kurslinie überqueren, wenden wir und segeln wieder für mehrere Stunden nach Südosten bis zur nächsten Wende. Leider dreht der Wind nicht so früh zurück auf Südost und weiter auf Ost, wie Wetterwelt vorhergesagt hat. Bei SSE 2 Bft schleichen wir in stockdunkler Nacht weiter.
An unserer Backbordseite passieren wir nachts ein großes Gasfeld mit mehreren Schiffen, von Steuerbord nähern sich zwei weitere Schiff – langsam und noch weit entfernt. Auf unserem AIS können wir sehen, dass wir hinter den Schiffen durchsegeln werden. Noch können wir auf dem AIS nur die MMSSI, nicht aber die Schiffsnamen und die Art der Schiffe erkennen. Kurze Zeit später werden wir im Funk von einem der Schiffe angerufen. Die „WG Amundson“ ist ein Schlepper und zieht 12 Pontons hinter sich her – Länge des Schleppverbandes 6 sm. Sie bittet uns, unseren Kurs erst um 20°, später dann noch mal um 20° nach Steuerbord zu ändern. So was blödes – hoch am Wind kreuzen wir schon stundenlang, um den Orkneys näher zu kommen und jetzt sollen wir noch auf halben Wind abfallen. Machen wir natürlich, ansonsten kämen wir nämlich gar nicht an 🙁 . Beängstigend ist, dass die geschleppten Pontons weder als Radarecho noch als AIS Signal erkennbar sind. Erst viel später können wir schwache weiße Blinklichter an unserer Backbordseite sehen. Das hätte in der dunklen Nacht auch schief gehen können, wenn uns die „WG Amundson“ nicht frühzeitig angefunkt und um entsprechende Kursänderung gebeten hätte.
Nach der unfreiwilligen Kursabweichung gehen wir dann auf den alten Kurs zurück und kommen unserem Ziel nicht wirklich näher. Jetzt liegt Stornoway in Nordschottland auf den äußeren Hebriden recht voraus. Aber auch da wollen wir jetzt noch nicht hin 😉 .
Der Wind kommt inzwischen genau aus Südost, dort, wo die Orkneys liegen, dreht aber nicht weiter auf Ost. Da wir auch nur noch 2,5 kn Fahrt über Grund machen, schmeißen wir schweren Herzens den Motor an, gehen auf direkten Kurs und motoren die nächsten 9 Stunden, immer in der Hoffnung, dass der Wind noch mal zunimmt und auf Ost dreht. Noch länger auf halber Strecke zwischen den Färöern und den Orkneys rumzudümpeln zerrt zum einen an den Nerven, zum anderen wollen wir auf den Orkneys sein, bevor das Tief westlich von England hier rüberzieht – es könnte ja auch mal schneller sein, als in der Wettervorhersage angekündigt. Da wir weder Kurzwelle noch ein Satellitentelefon an Bord haben, können wir auch keinen aktuellen Wetterbericht bekommen. So brummt der Motor Stunde für Stunde und mit 4,5-5,5 kn Fahrt über Grund nähern wir uns den Orkneys.
Gegen 09:00 Uhr dreht der Wind auf Ost, ist mit gerade eben 2 Bft aber noch zu wenig, um wieder zu segeln. Erst gegen 11:00 Uhr setzten wir wieder die Segel und können die Orkneys direkt anlegen. Hoch am Wind und eher langsam mit nur 4 -4,5 kn, aber der Motor ist aus und es ist wieder Ruhe an Bord.
Eigentlich sollte die Entscheidung zu segeln, statt zu motoren ja ganz einfach sein, ist sie heute aber nicht wirklich. Wir müssen bis 21:15 Uhr in Kirkwall sein, wenn wir nicht gegen die starke Strömung in den Gewässern der Orkneys anmotoren wollen. Eigentlich noch ein bisschen eher, bevor es dunkel wird. Im Dunkeln durch die schmalen Fahrwasser ist nicht wirklich optimal. Selbst unter Motor schaffen wir das kaum – da müssten wir schon „den Hebel auf den Tisch legen“. Das heißt aber auch, dass wir unseren Dieseltank fast leer fahren würden – schlecht, da es in Kirkwall und auch in den anderen beiden Häfen keine Tankstelle gibt. Vielleicht könnten wir mit 20-Liter-Kanistern tanken – vielleicht aber auch nicht, wenn der Weg zur nächsten öffentlichen Tankstelle zu weit ist. Für solche Fälle sind wir eigentlich auch nicht richtig ausgestattet. Zum einen haben wir keine Kanister an Bord, zum anderen auch keine Karre, um sie von der Tankstelle zu transportieren. Auf unseren bisherigen Törns war das auch nicht nötig – Tankstellen gab es immer und überall. Da sind wir auch mit unserem eher kleinen 160 Liter-Dieseltank gut klar gekommen 🙂 .
Ebenso wenig haben wir bisher ein Satellitentelefon vermisst, um einen aktuellen Wetterbericht zu empfangen. Na ja, vielleicht doch im letzten Jahr, als wir die drei Tage über die Nordsee von Norwegen nach Vlieland gesegelt sind 😉 . Wir sind bisher aber auch noch nie so weite offene Seestrecken gesegelt – das ist schon anders, als in relativer Küstennähe mit Häfen, viel Schiffsverkehr, VHF und Wetterberichten in Reichweite. Andere Schiffe – egal, ob Segelschiffe oder Fischer haben wir bis auf eine Ausnahme nicht gesehen. Wir waren ganz schön alleine – nicht immer ein gutes Gefühl, ist doch keiner zur Stelle, wenn mal etwas schief geht. Und ohne Satellitentelefon oder Kurzwelle könnten wir auch niemanden verständigen. Nur unsere EPIRB hätten wir für den Notfall, um Hilfe herbeizurufen. Dass in den Gewässern nördlich der Orkneys und Shetlands auf dem Weg zu den Färöern und Island so wenig bzw. kein Schiffsverkehr ist, dass man niemanden über VHF erreichen kann, war uns bei der Planung dieses Sommertörns nicht klar. Sonst hätten wir auf jeden Fall ein Satellitentelefon an Bord gehabt – nicht nur für´s Wetter, sondern auch für den Kontakt zur restlichen Welt. Also, wieder etwas dazugelernt 😉 .
Wir entscheiden uns also für´s Segeln – in dem Wissen, dass wir auch unter Segel die Ornkneys nicht rechtzeitig vor dem Kentern des Stroms und dem Einsetzen der Dunkelheit erreichen werden. Dann segeln wir eben bis zum Morgengrauen und laufen dann in die Gewässer ein. Wie die ganze Zeit schon segeln wir langsam und angenehm hoch am Wind. Gegen 17:00 Uhr ist Land in Sicht – noch ca. 35 sm bis Kirkwall. Wir überlegen wieder hin und her – eine ganze Nacht vor den Inseln rumdümpeln – neee, das wollen wir nicht wirklich. Statt nach Kirkwall könnten wir auch nach Pierowall auf der nordwestlichsten Insel Westray segeln – dort gibt´s auch einen kleinen Hafen, der gut gegen den Sturm aus Südwest geschützt ist. Und Pierowall ist nur noch 15 sm entfernt. Das ist zu schaffen. Wenn wir die Abkürzung durch den Papa-Sound nehmen ganz bestimmt. Die ist nicht ganz so einfach zu befahren, da eng und flach, aber bei Tageslicht sollte das wohl gehen. Dummerweise fällt dann unsere Elektronik aus – sehr eindringlich piepst es aus allen elektronischen Löchern. Kein AP – Computer, keine Anzeigen, das Plotterdisplay springt hin und her. Trotz intensiver Fehlersuche kann Peter den Grund für diesen Ausfall nicht finden – nach mehreren nervtötenden Minuten Gepiepse ist der Spuk vorbei. Genauso plötzlich wie die Elektronik ausgefallen ist, funktioniert sie auch wieder. Nur durch den Papa-Sound wollen wir jetzt dann lieber doch nicht mehr fahren – wäre schon blöd, wenn das Theater dort wieder losgehen sollte.
Wir nehmen den weiteren Weg nach Pierowall und fahren um die Insel Papa-Westray herum – jetzt allerdings dann doch unter Motor. Der Wind ist fast weg und die Zeit läuft uns auch weg. Es wird schon dämmrig, die Sonne geht mal wieder mit einem spektakulären Farbenspiel unter.
Aber die Strömung bleibt – mit mehr als 7 kn über Grund brechen wir jegliche Rekorde auf diesem Schlag. So schnell waren wir schon lange nicht mehr – na ja, auf den Färöern und in Höfen auf Island waren wir noch schneller;-) . Und sooo lange ist das ja auch noch nicht her.
Mit dem letzten Büchsenlicht machen wir in dem kleinen Hafen von Pierowall am Schwimmsteg fest – und werden vom Hafenmeister mit Handschlag begrüßt. Er hat auf Marintraffic gesehen, dass wir kommen und wollte uns doch noch schnell erklären, wo wir die Dusche, Strom und Wasser finden 🙂 . Und wo der Bäcker, die Fischfabrik und die Lebensmittelläden sind. Wir freuen uns über die so typisch schottisch-freundliche Begrüßung und unterhalten uns noch eine ganze Zeit mit ihm. Und freuen uns noch mehr darüber, dass wir jetzt hier im Hafen sind, die nächste Nacht ruhig schlafen können und nicht vor den Orkneys auf den Sonnenaufgang und die passende Strömung warten.